Eritrea
Eritrea – Länderbericht – Nicola Schapfl
I. Überblick
Der souveräne Staat Eritrea liegt am Horn von Afrika und erstreckt sich entlang des Roten Meeres. In dem Land mit etwa 3,5 Millionen Einwohnern gibt es vier staatlich anerkannte Religionsgemeinschaften: die eritreisch-orthodoxe Kirche, den sunnitischen Islam, die katholische und die evangelisch-lutherische Kirche. Unter den neun verschiedenen Bevölkerungsgruppen hat sich bislang keine offizielle Amtssprache etabliert. Jeder zweite Mensch in Eritrea lebt unterhalb der Armutsgrenze; nicht zuletzt ist dies einer der Gründe, der viele Menschen Eritreas zur Flucht in andere Länder bewegt. Allein im Jahr 2020 sind mehr als 21.000 Menschen aus Eritrea in andere Länder geflüchtet.
Als anfänglicher Missions- und Handelsstaat wurde Eritrea in den 1890er Jahren zunächst zu einer italienischen Kolonie. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verwaltete Großbritannien das Land. Es währte ein 30 Jahre dauernder Unabhängigkeitskrieg zwischen Äthiopien und Eritrea, bis sich Eritrea schließlich im Jahr 1993 von Äthiopien trennte. Seitdem steht das Land unter der Regierung des Staatspräsidenten Isaias Afwerki. Im Jahr 1998 kam es zu einem Grenzkrieg zwischen den beiden Staaten, welcher wiederum bis in das Jahr 2000 andauerte. Dieser führte zu einer weitgehenden Militarisierung der Gesellschaft, die bis heute in den Grundzügen verankert ist. Im Juli 2018 erfolgte eine Friedensvereinbarung mit Äthiopien. Seitdem bemüht sich Eritrea um eine Intensivierung der regionalen Zusammenarbeit.
II. Beziehung zu Deutschland
Mit Ende des 30 Jahre anhaltenden Krieges gegen Äthiopien und der Friedensvereinbarung zwischen den beiden Ländern nahm auch Deutschland den Aufbau bilateraler Beziehungen zu Eritrea auf und strebt eine Intensivierung derer an. Die innenpolitische Lage sowie die Rolle der äthiopischen Streitkräfte in der äthiopischen Region Tigray stellen jedoch bislang eine große Herausforderung dar.
III. Eritrea unter der Herrschaft Isaias Afwerkis
Unter der Regierung des Staatspräsidenten Afwerki steht Eritrea unter einer autokratischen Führung.
Offiziell hat das Land eine demokratische Verfassung – faktisch regiert jedoch der Präsident.
Durch die Entmachtung des Obersten Gerichts und der Entlassung des obersten Staatsrichters im Jahr 2001 wandelte sich die Herrschaft immer mehr in eine Ein-Mann-Herrschaft. Zudem löste der Präsident die Nationalversammlung auf. Als einzig zugelassene Partei ist nunmehr die PFDJ (People‘s Front for Democracy and Justice) vertreten, welche aus der Unabhängigkeitsbewegung hervorging. Oppositionsparteien sind nunmehr gezwungen, aus dem Exil zu arbeiten; das Parlament ist also faktisch inaktiv. Da in dem Staat folglich weder eine Verfassung noch praktizierte Gewaltenteilung besteht, ist die Ausübung bürgerlicher Rechte stark eingeschränkt. Zwar kam es zur Einführung eines überarbeiteten Zivil- und Strafrechts im Jahr 2014, welches jedoch nicht implementiert wurde.
IV. Systematische Menschenrechtsverletzungen
1. Haftstrafen
Eritrea zeichnet sich durch systematische Menschenrechtsverletzungen aus.
Eines der wohl schwerwiegendsten Probleme ist die Missachtung der grundlegenden Regeln der Justizverwaltung. Sicherheitsbeamt:innen und Militär können als rechtsprechende Gewalt fungieren; Urteile werden nicht oder ohne Gerichtsverfahren gefällt, sodass Gefangene ohne das Bestehen jeglicher rechtlicher Gründe und ohne Wissen um die Länge ihrer zukünftigen Haftstrafe inhaftiert werden. Die Haftunterbringungen geschehen oft unter menschenunwürdigen Bedingungen, ohne ausreichende Hygienemaßnahmen oder Nahrungsversorgung. Die Unterbringung erfolgt beispielsweise in unterirdischen Zellen oder Wüstengegenden. Verwandte der Inhaftierten erfahren oft nicht einmal den Aufenthaltsort. Die gefangenen Menschen „verschwinden“ einfach. Zudem kommt es zur Inhaftierung von Angehörigen, denen allein aufgrund der Beziehung zu den Inhaftierten ein solches Schicksal widerfährt.
2. Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit
Im Jahre 2001 wurden alle nichtstaatlichen Medien durch die Behörden verboten, was zur Unmöglichkeit und somit einem faktischen Nichtbestehen der unabhängigen Presse führte. Wie die US-amerikanische Organisation „Committee to protect Journalists“ und auch die „Reporter ohne Grenzen“ berichten, ist Eritrea der Staat mit der weltweit stärksten Zensur und mehr inhaftierten Journalist:innen als in keinem anderen Land weltweit. Viele nennen es das „afrikanische Nordkorea“. Es erfolgen immer wieder Festnahmen wegen der Ausübung von Meinungsfreiheit und Kritik an der Regierung. Ein bekanntes Beispiel ist der Fall „G-15“ aus dem Jahre 2001. 15 (ehemalige) regierungskritische Mitglieder der PFDJ forderten in einem offenen Brief an den Präsidenten demokratische Reformen, eine Implementierung der Verfassung und nationale Wahlen. Dies endete jedoch in elf Verhaftungen, die bis heute andauern, ohne dass jemals eine offizielle Anklage oder ein Prozess erfolgte. Einige der Inhaftierten sind in Gefangenschaft gestorben.
Das theoretisch bestehende Recht auf Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit ist demnach durch die Bevölkerung faktisch nicht wahrnehmbar. Da es der Bevölkerung zudem nicht möglich ist, etwa zivilgesellschaftliche Organisationen zu gründen, steht dieser nun keinerlei Möglichkeit der Einflussnahme auf die Regierung des Landes mehr zu.
3. Militärische Zwangsarbeit
Die militärische Zwangsarbeit, die in Eritrea herrscht, stellt wohl eine der größten Einschränkungen der Bevölkerung und Gründe für die Flucht vieler dar. Trotz der Ankündigung der Regierung im Jahre 2014, das System des Militärdienstes auf 18 Monate zu begrenzen, dauert das willkürliche System bis heute an. Wehrdienstleistende werden auf unbestimmte Zeit, weit über den eigentlich festgesetzten Zeitraum von 18 Monaten hinaus, gezwungen, im Militärdienst zu bleiben. Dabei stellt sich ihnen keine Möglichkeit der Verweigerung und bei Versuch des Entzugs droht eine Verhaftung. Trotz eines Mindestalters von 18 Jahren werden auch Minderjährige sowie Frauen und alte Menschen zum Militärdienst eingezogen. Der Dienst muss unter mangelhaften Hygiene- und Ernährungsbedingungen abgeleistet werden. Die Gefangenen werden systematisch ihrer Rede-, Bewegungs- und Religionsfreiheit beraubt und sexuelle Gewalt, vor allem an Mädchen und Frauen, steht an der Tagesordnung.
4. Einschränkung der Religions- und Bewegungsfreiheit
Zudem kommt es zu Festnahmen wegen Ausübung der Bewegungs-oder Religionsfreiheit.
Bei Nichtmitgliedschaft in einer der anerkannten Religionsgemeinschaften droht die willkürliche Verhaftung. In anderen Religionsgemeinschaften sieht die Regierung unter anderem die Gefahr einer Spaltung der Gesellschaft. Auch das Recht auf Verlassen des Landes ist eingeschränkt und wird mit hohen, willkürlichen Strafen geahndet.
Das Vorgehen gegen eritreische Aktivist:innen bricht auch im Ausland nicht ab. Die Folge: keine Passverlängerungen für Eritreer:innen, was auf deren faktische Staaten- und somit Rechtslosigkeit hinausläuft.
V. Auswirkungen der COVID19-Pandemie
Die Wasser- und Nahrungsmittelknappheit in Eritrea stellte das Land bereits vor der COVID19-Pandemie auf eine harte Probe. Viele Menschen leben weitgehend von der Subsistenzwirtschaft und versuchen, sich mit Tagesgeschäften über Wasser zu halten. Aufgrund der Ausgangssperren und Maßnahmen, die zur Eindämmung der Pandemie verhängt wurden, verschlechterte sich die Situation rasant. Viele Geschäfte mussten geschlossen werden, wodurch vielen Menschen die einzige Einkommensmöglichkeit wegfiel. Aufgrund der ernsten Lage verteilten sogar die Kirchen des Landes Lebensmittel – eine Handlung, die zuvor für viele Jahre verboten war.
VI. Ausblick
Die UN-Menschenrechtskommission kam zu dem Schluss, dass Eritrea seit dem Jahr 1991 Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat und diese auch weiter begangen werden. Hauptverantwortliche Organe für diese systematischen Menschenrechtsverletzungen sind neben der Armee unter anderem das nationale Sicherheitsbüro, das Justiz- und Verteidigungsministerium, die PFDJ sowie der Präsident selbst. Die EU hat Sanktionen gegen Eritrea wegen der Menschenrechtsverletzungen verhängt. Ziel ist dabei das Amt für nationale Sicherheit, das unter der Führung des Präsidenten steht und für die schweren Verletzungen verantwortlich ist. Die Befugnis entspringt dabei auch neuen Sanktionsregelungen der EU, die Ende 2020 ausgeweitet wurden, welche erweiterte Möglichkeiten beinhalten, ausländische Verantwortliche für schweres Unrecht zu bestrafen.
Als Reaktion nannte das Außenministerium Eritreas die Sanktionen schlicht „böswillige Handlungen“ und beanstandet, die EU habe kein Vorrecht für diese Entscheidung.
Der Staat Eritrea ist von internationalen Gemeinschaften weitgehend abgeschottet. Nach der Friedenserklärung im Jahr 2018 mit Äthiopien bemühte sich das Land zwar um internationale Anerkennung und trat vielen gängigen Friedens- und Menschenrechtsabkommen bei – der regelmäßige Vorwurf der Begehung von Menschenrechtsverletzung des UN-Menschenrechtsrats bleibt jedoch bestehen. Da Eritrea aber nun selbst, seit es im Oktober 2018 von der UN-Vollversammlung in den Menschenrechtsrat gewählt wurde, Mitglied des Rates ist, will es sich der Beobachtung entziehen.
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Stand: 30. August 2021
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https://www.amnesty.de/2013/5/8/eritrea-20-jahre-systematische-
menschenrechtsverletzungen
https://botschaft-eritrea.de/tourismus/
https://religionsfreiheit.bmz.de/de/der-bericht/laender-A-Z/eritrea/
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https://www.aktion-deutschland-hilft.de/de/fachthemen/afrika/eritrea/
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/eritrea-node/
politisches-portraet/226210
https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/politiklexikon/17134/autokratie
https://www.missio-hilft.de/missio/informieren/wofuer-wir-uns-einsetzen/
religionsfreiheit-menschenrechte/menschenrechtsstudien/mr-studie-071-
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https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/eritrea-2020
https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/rangliste-2021/ueberblick
https://cpj.org/reports/2019/09/10-most-censored-eritrea-north-korea-
turkmenistan-journalist/
https://www.sueddeutsche.de/medien/pressefreiheit-in-eritrea-viele-
nennen-es-das-afrikanische-nordkorea 1.1586994
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https://www.amnesty.de/jahresbericht/2017/eritrea
Eritrea – Länderbericht
https://www.dw.com/de/eritrea-im-un-menschenrechtsrat-der-bock-als-
gärtner/a-49376933
https://www.spiegel.de/ausland/eu-verhaengt-sanktionen-gegen-eritrea-a-
47c7bab0-397d-4e88-9b7f-d44ee69cfd5b
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https://www.caritas-international.de/spenden/soforthilfe-akute-
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