Myanmar

Myanmar – Länderbericht – Frederike Schucht
I. Myanmars Weg zu einer Demokratie
Myanmar ist ein in Südostasien gelegener buddhistisch geprägter Vielvölkerstaat. Im Jahre 1948 endete die britische Kolonialherrschaft und es folgte ein kurzer Demokratisierungsprozess, der jedoch 1962 durch einen Militärputsch beendet wurde. Nach dem Putsch etablierte sich eine Militär-Diktatur, die fast 50 Jahre andauerte.
Im Jahr 1990 konnte die demokratisch geprägte Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) in demokratischen Wahlen einen deutlichen Wahlsieg verzeichnen, das militärische Regime erklärte die Wahlen jedoch für ungültig und schlug jegliche Proteste auf brutalste Art und Weise nieder. So sicherte sich das Regime weiterhin seine Macht.
Erst 20 Jahre später, im Jahr 2010, kam es erneut zu Wahlen in Myanmar. Die demokratische Partei NLD beteiligten sich im Jahr 2012 an den Parlamentswahlen und gewann 43 der 45 neu zu besetzenden Sitze im Parlament. 2011 übernahm die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi den Vorsitz der Partei und wurde schließlich im Jahr 2016 Regierungschefin sowie Außenministerin von Myanmar. Es folgten Jahre der Demokratisierung und zahlreiche politische Gefangene wurden freigelassen. Zudem öffnete Myanmar seine Grenzen für Tourist:innen.
II. Ende des Demokratisierungsvorgangs – Der Militärputsch vom 01.02.2021
Am 01.02.2021, mitten in der Corona-Pandemie, die auch Myanmar stark traf, putschte das Militär erneut, konnte die Macht zurückerobern und den Demokratisierungsvorgang beenden. Den Putsch erklärte das Militär als eine Reaktion auf die Wahlen im November 2020. Bei den Wahlen am 08.11.2020 wurde die NLD Partei rund um Aung San Suu Kyi erneut mit großer Mehrheit wiedergewählt und konnte sich 258 der 315 Sitze im Unterhaus sowie 138 der 161 Sitze im Oberhaus sichern. Das Militär nahm diesen Sieg aber nicht hin und sprach von Wahlbetrug. Das Militär schaffte es, die Verfassung außer Kraft zu setzen, Aung San Suu Kyi sowie andere Politiker:innen festzunehmen und einen zwölfmonatigen Ausnahmezustand auszurufen. Die politische Macht liegt nun bei Armeechef Min Aung Hlaing. Im Februar 2021 kündigte das Militär Neuwahlen nach zwölf Monaten an. Ein halbes Jahr später, im August 2021, gab das Militär bekannt, die Wahlen auf August 2023 zu verschieben und den Ausnahmezustand so um weitere zwei Jahre zu verlängern.
Nur wenige Tage nach dem Putsch gingen Tausende Menschen auf die Straßen und demonstrierten mit aller Macht gegen das Militärregime. Dabei rüsteten sie sich häufig mit Töpfen und anderen Schlaggegenständen aus, um Lärm zu machen. Das Militär verhängte aufgrund der Proteste das Kriegsrecht und verbot Versammlungen von mehr als fünf Personen. Die Menschen ließen sich davon jedoch nicht unterkriegen und demonstrierten mutig weiter. Die Gewalt eskalierte schnell und das Militär ging brutal gegen Demonstrierende vor. Wenige Tage nach der Machtübernahme fing das Militär an, auf Demonstrierende zu schießen und Journalist:innen bundesweit festzunehmen. Die Situation für Journalist:innen wurde immer schlimmer, sodass auch größere Medienhäuser schließen mussten. Schätzungsweise starben bis August 2021 1.000 Menschen bei Demonstrationen, 200.000 Menschen wurden aus ihren Heimatorten vertrieben und über 5.000 Demonstrierende wurden willkürlich festgenommen, darunter ca. 90 Journalist:innen.
Um Informationsketten zu unterbrechen und, um zu verhindern, dass sich Demonstrierende organisieren können, schaltete das Militär zeitweise das Internet ab und nahm es danach nur stark verlangsamt wieder ans Netz. Der UN-Menschenrechtsrat spricht von einer multidimensionalen Menschenrechtskatastrophe, die die demokratische Entwicklung des ganzen Landes massiv zurückwirft.
III. Myanmars Umgang mit den Rohingya
Die Menschenrechtssituation in Myanmar hat sich jedoch nicht erst seit Februar 2021 verschlechtert. So steht Myanmar schon seit Jahren in internationaler Kritik aufgrund des gewaltvollen Umgangs mit den Rohingya. Die Rohingya sind eine muslimische Minderheit aus Myanmar, die seit Jahrzehnten systematisch und extrem gewalttätig verfolgt wird. Die Rohingya stammen aus dem Westen Myanmars und haben eine eigene Kultur und Sprache. Warum die Mehrheitsgesellschaft Myanmars den Rohingya gegenüber derart feindselig und voller Hass gegenübertritt, ist unklar. Einerseits wird dies mit burmesischem Nationalstolz erklärt, andere Erklärungsversuche verorten die Feindseligkeit im religiösen Bereich.
Die Situation für die Rohingya ist seit der ersten Militär-Diktatur 1962 höchst dramatisch. Der damalige Machthaber erklärte den Buddhismus zur Staatsreligion und infolgedessen fing das Militär mit „ethnischen Säuberungen“ an, die dazu führten, dass die Rohingya Opfer von extremer Gewalt, Vergewaltigungen und massiver Verwüstung wurden. Bereits in den 1970er Jahren flohen daher zahlreiche Rohingya in das Nachbarland Bangladesch, um den blutigen Auseinandersetzungen zu entkommen. Im Jahre 1982 verschlechterte sich die Situation für die Rohingya nochmal enorm, da die Regierung sie als staatenlos und folglich als rechtslos erklärte. Bis in die 2010er Jahre gab es immer wieder große Fluchtwellen der Rohingya in die benachbarten Länder, vor allem nach Bangladesch. 2011 berichtete Human Rights Watch von den prekären Umständen der Rohingya und veröffentlichte, dass diese Opfer von Sklaverei, Zwangssterilisation und Internierung in Lagern werden. Zudem wurden Frauen und Mädchen Opfer von Vergewaltigungen und sexueller Folter. 2012 schloss Bangladesch die Grenzen für fliehende Rohingya, da die Zahl der Fliehenden enorm anstieg. Auch die Nachbarländer Thailand, Malaysia und Indonesien verweigerten die Aufnahme der muslimischen Rohingya. Im Zuge dessen bildeten sich an der Grenze zu Bangladesch Flüchtlingslager. Die Menschen haben dort keinen Zugang zu humanitärer Hilfe.
Im Jahr 2013 erklärte die UNO die Rohingya zu einer der meistverfolgten Minderheiten der Welt. Bis heute sind sie vom Genozid bedroht.
Die neugewählte Staatschefin Aung San Suu Kyi räumte im Jahr 2016 Gewalt gegen die Rohingya ein, verleugnete jedoch einen Genozid. Im gleichen Jahr versprach sie eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Nur ein Jahr später eskalierte die Gewalt gegen die Rohingya jedoch erneut. 2017 lebten ca. noch eine Million Rohingya in Myanmar. Im August zogen Soldat:innen und bewaffnete Polizeikräfte in ein Dorf der Rohingya und verwüsteten dieses komplett. Internationale Menschenrechtsgruppen und behandelnde Ärzt:innen berichten von Gruppenvergewaltigungen.
2019 musste Staatschefin Aung San Suu Kyi vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag aussagen. Dort wies sie erneut Massenmorde und Massenvergewaltigungen zurück.
Der Zugang für internationale Hilfsorganisationen in die verwüsteten Gebiete und zu den Rohingya wurde durch die Regierung stark eingeschränkt, sodass die Rohingya von humanitärer Hilfe abgeschnitten wurden.
Bis heute hat sich die Situation für die Rohingya in Myanmar nicht verbessert.
IV. COVID-19-Pandemie – Doppeltes Leid in Myanmar
Auch Myanmar wurde von der Pandemie hart getroffen. Besonders problematisch ist dabei, dass die Pandemie und der Putsch zusammenfallen. Viele Ärzt:innen und Pfleger:innen verweigern die Arbeit in Krankenhäusern, da sie gegen das Regime protestieren und nicht für eine militärische Diktatur arbeiten wollen. Viele Krankenhäuser sind daher völlig unterbesetzt und können die Patient:innen nicht versorgen. Erkrankten bleibt nur die Möglichkeit, sich in militärischen Krankenhäusern behandeln zu lassen, was viele aber ablehnen, da sie sich nicht vom Feind helfen lassen wollen. Berichten zufolge fehlt es in ganz Myanmar an Sauerstoff und eine Versorgung der Erkrankten ist kaum möglich.
Zudem nutzt das an die Macht gekommene Militär die Corona-Pandemie dazu, das Recht auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit stark und willkürlich einzuschränken.
V. Frauenrechte
Zwar wird Myanmar als eines der wenigen südostasiatischen Länder von einer Frau regiert, jedoch leben Frauen in Myanmar nicht gleichberechtigt. Formal ist die Gleichberechtigung zwar beinahe erreicht, in der tatsächlichen Umsetzung bestehen jedoch nach wie vor große Probleme. So arbeiten viele Frauen und Mädchen in Textilfabriken unter prekären Arbeitsbedingungen und werden als billige Arbeitskräfte ausgebeutet.
Zudem werden Frauen und Mädchen häufig Opfer von sexualisierter Gewalt. So steht in Myanmar Vergewaltigung in der Ehe nicht unter Strafe. Zwar gibt es Gesetzentwürfe, die dies als Tatbestand vorsehen, jedoch soll die Vergewaltigung in der Ehe noch immer milder bestraft werden als andere Vergewaltigungstaten.
An den Demonstrationen gegen das Militärregime im Februar 2021 beteiligten sich viele Frauen, die die Demonstrationen auch dafür nutzten, für Gleichberechtigung und mehr Sicherheit für Frauen zu kämpfen.
VI. Situation für Menschen der LGBTIQ+ Community
Homosexualität steht in Myanmar zwar nicht ausdrücklich unter Strafe, jedoch fällt es unter „Unnatural Offences“, die mit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe bestraft werden. Zwar kommt es nur sehr selten zur Anklage, ein feindseliges Klima herrscht dennoch. Der Buddhismus akzeptiert nur diskrete Homosexualität, nicht aber das offene Zeigen von gleichgeschlechtlicher Liebe. Angehörige der LGBTIQ+ Community befinden sich daher in ständiger Gefahr vor Diskriminierung. Im Jahr 2020 fand das zweite öffentliche Pride Festival in Myanmar in der Stadt Yangon statt, bei der 2.000 Menschen Liebe für Alle feierten.
VII. Eine ungewisse Zukunft
Aufgrund der andauernden Gewalteskalation gegenüber der Zivilgesellschaft durch das Militär, sehen viele internationale Organisationen und Hilfsgruppen die Zukunft für Myanmar sehr kritisch. Im Juni 2021 starteten die Prozesse gegen die Regierung von Aung San Suu Kyi. Menschenrechtsorganisationen befürchten eine lange Haftstrafe für Aung San Suu Kyi und ihre Regierung und somit die Gefahr einer langwidrigen Gewalteskalation im ganzen Land und das endgültige Ende der Demokratisierung.
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Stand: 21. August 2021
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https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/myanmar-2020#section-18862855
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https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/327681/militaerputsch-in-myanmar
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https://www.tagesschau.de/ausland/asien/myanmar-coronavirus-103.html
https://unric.org/de/07062021myanmar/
https://www.tagesschau.de/ausland/asien/myanmar-aung-san-suu-kyi-103.html
https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/frauen-in-myanmar-demonstrieren-fuer-gleichstellung-und-gegen-junta-17234026.html
https://www.frauenrechte.de/index.php/themen-und-aktionen/eine-welt/aktuelles/1440-irmingard-schewe-gerigk-vorstandsvorsitzende-terre-des-femmes-begleitet-bundespraesident-gauck-nach-indien-und-myanmar
https://femnet.de/index.php/themen/myanmar-und-aethiopien/866-wie-ist-die-situation-von-frauen-in-den-aufstrebenden-textilmaerkten-aethiopien-und-myanmar-im-vergleich-zu-bangladesch-eine-analyse
https://www.boell.de/de/2020/11/05/der-weg-der-frauen-zu-einem-der-weg-der-frauen-zu-einem-demokratischen-uebergang
https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/myanmarsicherheit/212100
https://www.tagesschau.de/ausland/asien/prozess-gegen-aung-san-suu-kyi-101.html
https://unric.org/de/myanmar10052021/