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Newsletter im Februar 2022
Unser monatlicher Rundumblick zum Thema Menschenrechte
Herzlich Willkommen zu unserem Newsletter im Februar 2022 – wir freuen uns sehr, dass Du dabei bist!
Demokratie in Gefahr? Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung ist die Staatsform der Demokratie weltweit bedroht. Seit Beginn der Erhebungen des Bertelsmann Transformationsindex (BTI) im Jahre 2004 werden unter den 137 untersuchten Transformationsländern erstmals mehr Staaten als autokratisch als als demokratisch eingeordnet. Zum BTI 2022. Aktuell: Vortrag zum russisch-ukrainischen Krieg am 28.02., 19 Uhr s.t. Auch darüber hinaus spielen Grund- und Menschenrechte eine wichtigere Rolle denn je: Die Ereignisse im russisch-ukrainischen Krieg überschlagen sich und wir werden von schlechten, beängstigenden und teils auch widersprüchlichen Nachrichten überflutet. Seriöse Informationen im Live-Ticker-Format findet ihr z.B. bei der Tagesschau oder dem ZDF. Am kommenden Montag, den 28. Februar (morgen) um 19 Uhr s.t. veranstalten wir einen Vortrag zum politischen, historischen und völkerrechtlichen Überblick über die aktuelle Lage in der Ukraine. Referieren werden Herr Prof. Dr. jur. Christian Walter (Professor für Völkerrecht und Öffentliches Recht) und Herr Prof. Dr. Martin Schulze Wessel (Professor für Geschichte Ost- und Südosteuropas), beide LMU München. Wir freuen uns über rege Teilnahme.
Über uns:
Als Student Division sind wir zwar unserer Mutterorganisation Lawyers Without Borders (LWOB) angehörig, agieren aber autonom und organisieren uns eigenständig.
Wir arbeiten unserer Mutterorganisation zu und stehen in Zusammenarbeit mit deutschen und europäischen Organisationen.
LWOB ist eine NGO mit Sitzen in Großbritannien, Kenia, Tansania und den USA. Ausschlaggebend für die Gründung war die Idee, Anwält:innen weltweit für Human Rights Work zu motivieren und ein globales pro bono-Netzwerk zu schaffen, das auf der ganzen Welt einen Zugang zu Recht garantiert.
Mit unserem monatlich erscheinenden Newsletter möchten wir einen Einblick in unsere Tätigkeiten geben, laufende Projekte vorstellen und insbesondere Neuigkeiten zu Menschen- und Grundrechten auf der ganzen Welt teilen - besonders solche, die oftmals unbeachtet bleiben.
Neuigkeiten im Bereich Menschenrechte
Disclaimer: Wir haben uns der Aufklärung im Bereich der Menschen- und Grundrechte verschrieben und sind weder politisch noch übernehmen wir Gewähr für Richtigkeit oder Vollständigkeit für die Rubrik „Neuigkeiten im Bereich Menschenrechte“. Die Inhalte der Beiträge wurden mit größter Sorgfalt erstellt. Quellen und Literatur wurden bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des jeweiligen Beitrags geprüft und berücksichtigt. Darüber hinaus distanzieren wir uns von jeglichen weiteren und zukünftigen Inhalten der angegebenen Websites und Institutionen.
Urteile nationaler Spruchkörper
Verfassungsgericht Kolumbien: Legalisierung von Abtreibungen Nach einer Entscheidung des kolumbianischen Verfassungsgerichts sind nunmehr Schwangerschaftsabbrüche bis zur 24. Schwangerschaftswoche ohne Angabe von Gründen per Gesetz erlaubt. Die Entscheidung fiel mit 5:4 Stimmen dafür sehr knapp aus. Das kolumbianische Verfassungsgericht ist im Gegensatz zu einem großen Teil der Bevölkerung deutlich liberaler eingestellt. Bisher waren Abtreibungen nur aufgrund besonderer Gründe wie Vergewaltigung, Lebensunfähigkeit des Fötus oder Lebensgefahr der Mutter zulässig. Frauen, die illegal eine Abtreibung durchführten, konnten mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Noch offen ist die Entscheidung der Regierung, ob Abtreibungen zukünftig kostenlos in öffentlichen Krankenhäusern durchgeführt werden können - bisher haben nur gut situierte Frauen Zugang zu sicheren Abtreibungen. Kolumbien ist das sechste Land Südamerikas, das Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert. Quellen und weitere Informationen: dw, faz, NZZ
Neuigkeiten internationaler Spruchkörper und Organisationen
E-Learning-Plattform des Europarats: HELP - Update Human Rights Die E-Learning-Plattform HELP des Europarats (Human Rights Education for Legal Professionals) hat ein Update zum Kurs "Judicial Reasoning and Human Rights" veröffentlicht. Der Kurs bietet einen umfassenden Überblick über die juristische Argumentation und die Qualitätsstandards der Justiz in Bezug auf Straf- und Zivilverfahren, Rechtsprechung und bewährte Praktiken. HELP unterstützt bereits seit über zehn Jahren die Mitgliedstaaten des Europarates bei der Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) auf nationaler Ebene. Das gesamte Kursangebot steht kostenlos zur Verfügung. Das HELP-Netzwerk richtet sich an (zukünftige) Jurist:innen und andere (Justiz-)Fachleute und ist das einzige europäische Netzwerk nationaler Ausbildungseinrichtungen der 47 Mitgliedstaaten des Europarates. Quellen und weitere Informationen: HELP Plattform, Mitteilung im Standard
Systemische Verschlechterungen
Asylpolitik in Australien: 689 Tage "Einwanderungshaft" Im Vorfeld des Tennisturniers Australian Open wurde der Titelverteidiger Novak Djokovic wegen seines ungeklärten Impfstatus in einem Abschiebehotel untergebracht. Dies rückte auch die australische Asylpolitik im Grundsatz und den Umgang mit Geflüchteten in das Blickfeld der Presse. Laut Human Rights Watch befinden sich derzeit 1459 Personen in "Abschiebehaft" (Stand: Februar 2022). Das bedeutet für die Betroffenen eine starke Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit und teilweise nur beschränkten Zugang zu Frischluft und Sonnenlicht. Im Schnitt verbringen Asylsuchende 689 Tage in australischen Einrichtungen. Zum Vergleich: In den USA werden Geflüchtete im Schnitt 55 Tage und in Kanada sogar nur 14 Tage festgehalten. Während die Abschiebehaft im Völkerrecht als "last resort" gilt, benutzt die australische Regierung diese als Abschreckung bzw. Bestrafung für "unerlaubte Einwanderung". Ein Geflüchteter aus dem Iran, der im gleichen Hotel untergebracht ist wie der im Januar festgehaltene Djokovic, spricht von täglichen Suizidgedanken der Bewohner:innen. Das "Joint Standing Committee on Migration" zieht laut Human Rights Watch nun ein Gesetz in Erwägung, das die unbefristete und willkürliche Einwanderungshaft abschaffen soll. Quellen und weitere Informationen: Human Rights Watch, stern
Regionalwahlen in Indien und zunehmende Polizeigewalt In Uttar Pradesh, dem größten und bevölkerungsstärksten Bundesstaat Indiens, fanden in diesem Monat und noch bis zum 7. März Regionalwahlen statt. Das gesamte Land blickt auf die noch ausstehende Entscheidung der rund 240 Millionen Einwohner. Uttar Pradesh gilt als Schlüsselstaat der Wahlen, da dem Wahlsieger auch bei den Parlamentswahlen im Jahre 2024 eine erhöhte Siegeschance zugesprochen wird. Zurzeit regiert den Bundesstaat der Mönch und Ministerpräsident Yogi Adityanath der Indischen Volkspartei (BJP). Seiner hindunationalistischen Regierung wird vorgeworfen, sowohl Muslim:innen, die 20 % der Bevölkerung des Bundesstaates ausmachen, als auch Dalits, einer Minderheit, die am unteren Ende des hinduistischen Kastensystems steht, systematisch zu unterdrücken. Vor allem Muslim:innen werden seit seiner Machtergreifung vermehrt Opfer von Lynchmorden, Hassreden und vorurteilsbehafteten Gesetzen. Angehörige der Opfer und Anwält:innen berichten, dass Muslim:innen und Angehörige niedrigerer Kasten auf der Straße von der Polizei entweder erschossen oder festgenommen und zu Tode gefoltert werden. Die Polizei wird beschuldigt, nicht nur Morde zu begehen, sondern auch zu vertuschen und Beweismittel zu vernichten. Die Wahl in Uttar Pradesh wird als ein Referendum über die hindunationalistische Politik der amtierenden Regierung gesehen. Manche Stimmen betonen, es werde eigentlich über die Akzeptanz von zunehmender religiöser Intoleranz und antimuslimischer Hassreden abgestimmt. Laut Umfragen stehen die Chancen einer Wiederwahl Adityanaths, der auch stellenweise als Nachfolger des amtierenden Premierministers Modi gehandhabt wird, gut. Quellen und weitere Informationen: Guardian, Standard, SZ
Ausblick und Aktuelles
Bericht von Amnesty International: "Israel’s apartheid against Palestinians" Große Wellen schlug ein Bericht von Amnesty International, in dem die NGO Israel als "Apartheidsstaat" im Umgang mit Palästinenser:innen bezeichnet. Amnesty spricht von "systematischer Unterdrückung und Beherrschung" der palästinensischen Bevölkerung und fordert die Sanktionierung Israels. Die israelische Regierung sieht in dem Bericht eine "Ansammlung von Lügen" und "puren Antisemitismus". Amnesty erhebt jedoch nicht als erste NGO diesen Vorwurf - im April vergangenen Jahres statuierte ein Bericht von Human Rights Watch einen ähnlichen Vorwurf. Der Begriff der Apartheid meint in diesem Zusammenhang Apartheid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit allgemein als rassistisch motiviertes System der Unterdrückung nach Art. 7 Abs. 1 lit. j iVm Abs. 2 lit. h Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998. Kritisiert werden an dem Bericht vor allem das Schüren von Antisemitismus, aber auch methodische Mängel, wie zB die fehlende Differenzierung zwischen israelischen und israelisch besetzten Gebieten. Auch wird die gesellschaftliche Integration in Israels Kernland lebender Palästinenser:innen und der arabischen Bevölkerung grundsätzlich nicht erwähnt. Den Vorwurf des Antisemitismus weist Amnesty zurück. Die deutsche Sektion von Amnesty International schloss sich dem Bericht an. Die Äußerungen lassen Amnestys Status als nicht-parteiische und nicht-ideologische Organisation hinterfragen. Quellen und weitere Informationen: Bericht von Amnesty International, FAQ Amnesty, SZ, Welt
Neues vom Verein
LWOB-Vortragsreihe Kolumbien - Zweite Veranstaltung Save the Date: 22. März, 18 Uhr s.t. Der erste Vortrag in unserer Kolumbien-Vortragsreihe "Friedensvertrag, Freude, gar kein Kuchen?" hat diesen Monat stattgefunden! In seinem mitreißenden Vortrag behandelte unser Referent Herr Stefan Reith, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer Stiftung in Kolumbien, sowohl die geschichtliche Entwicklung als auch die verschiedenen Facetten des Friedensvertrags. Dank der eifrigen Beteiligung des Publikums konnten wir auch in der darauffolgenden Fragerunde noch Genaueres zu dem spannenden Thema erfahren. Den Vortrag verpasst? Kein Problem! Ein detaillierter Bericht zum Thema des ersten Vortrags ist auf unserer Website unter der Rubrik “Blog & Aktuelles” zu finden. Der Termin für den zweiten Vortrag steht bereits - er findet am 22. März um 18 Uhr s.t. statt! Herr Prof. Dr. iur. John Zuluaga LL.M. wird v.a. über die Umsetzung des Friedensvertrags am Beispiel der JEP (dt.: Sondergerichtsbarkeit für den Frieden) referieren. Zur Anmeldung. Eine Teilnahme am ersten Vortrag ist für die Teilnahme am zweiten Vortrag nicht erforderlich. Wir freuen uns auf eine erfolgreiche Fortsetzung unserer Vortragsreihe!
Unsere nächsten Veranstaltungen: März: Zweite Veranstaltung – Die Umsetzung des Friedensvertrags an Beispiel der JEP April: Dritte Veranstaltung – Die Umsetzung des Friedensvertrags und ihre Folgen für das heutige und zukünftige Kolumbien – Proteste 2019 und 2021 Bericht zur Veranstaltung zu FGM aus strafrechtlicher Sicht zusammen mit MigraMed München e.V. Anfang Februar hielt ein Team von uns im Rahmen einer Veranstaltungsreihe von MigraMed zu weiblicher Genitalverstümmelung (FGM) einen Vortrag zu FGM aus strafrechtlicher Sicht. MigraMed ist ein Verein Medizinstudierender, weswegen das Publikum vorrangig „jurafremd“ war und die Interdisziplinärität die Veranstaltung sehr spannend gemacht hat. Eine Materialsammlung mit Texten zu § 226a StGB und der strafrechtlichen Verfolgung in den Herkunftsländern findet sich auf unserer Website unter https://www.lwob-lmu.de/blog!
Abgeschlossene Recherche für NGO "Lawyers for Justice in Libya" Welche Normen des deutschen Rechts können zum einen eine Strafbarkeit für völkerstrafrechtliche, aber auch andere schwere Straftaten, wie Folter oder Verschwindenlassen, die besonders in Konfliktsituationen auftreten, begründen? Wann besteht eine Strafzuständigkeit nach deutschem Recht und wo im Gesetz wird sie festgehalten? Wie werden diese Fragen derzeit in der Praxis behandelt und was für Möglichkeiten stehen Verletzten oder auch Nichtregierungsorganisationen offen? Diese Fragen haben wir im Detail für ein Projekt der Nichtregierungsorganisation „Lawyers for Justice in Libya“ recherchiert, das sich dort weiter in Arbeit befindet. Wir halten euch über die weitere Verwendung unserer Ergebnisse auf dem Laufenden!
