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Newsletter im Dezember 2023


Unser monatlicher Rundumblick zum Thema Menschenrechte


Herzlich willkommen zu unserem Newsletter im Dezember - wir freuen uns sehr, dass Du dabei bist!


Über uns: Als Student Division sind wir zwar unserer Mutterorganisation Lawyers Without Borders (LWOB) angehörig, agieren aber autonom und organisieren uns eigenständig. Wir arbeiten unserer Mutterorganisation zu und stehen in Zusammenarbeit mit deutschen und europäischen Organisationen. LWOB ist eine NGO mit Sitzen in Großbritannien, Kenia, Tansania und den USA. Ausschlaggebend für die Gründung war die Idee, Anwält:innen weltweit für Human Rights Work zu motivieren und ein globales pro bono-Netzwerk zu schaffen, das auf der ganzen Welt einen Zugang zu Recht garantiert. Mit unserem monatlich erscheinenden Newsletter möchten wir einen Einblick in unsere Tätigkeiten geben, laufende Projekte vorstellen und insbesondere Neuigkeiten zu Menschen- und Grundrechten auf der ganzen Welt teilen - besonders solche, die oftmals unbeachtet bleiben.


Disclaimer: Wir haben uns der Aufklärung im Bereich der Menschen- und Grundrechte verschrieben und sind weder politisch noch übernehmen wir Gewähr für Richtigkeit oder Vollständigkeit für die Rubrik „Neuigkeiten im Bereich Menschenrechte“. Die Inhalte der Beiträge wurden mit größter Sorgfalt erstellt. Quellen und Literatur wurden bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des jeweiligen Beitrags geprüft und berücksichtigt. Darüber hinaus distanzieren wir uns von jeglichen weiteren und zukünftigen Inhalten der angegebenen Websites und Institutionen. Aufgrund der höheren Lesbarkeit mit Rücksicht auf sehbehinderte Menschen haben wir uns für den Gender-Doppelpunkt entschieden. LWOB steht für alle Formen der geschlechtlichen Vielfalt ein. Für diesbezügliches Feedback könnt ihr euch gerne an die Ressortleiterinnen wenden.



Neuigkeiten im Bereich Menschenrechte


Neuigkeiten nationaler Spruchkörper


Israel:  Geplante Justizreform vom Obersten Gericht im Kern gekippt

Seit ihrer Vereidigung vor rund einem Jahr betreibt Israels konservative Regierung Bestrebungen für eine umfassende Justizreform, die etliche Proteste und Demonstrationen seitens der Bevölkerung auslöste.

Kernelement der geplanten Reform ist die Schwächung der Gerichtsbarkeit und im Gegenzug die Stärkung von Regierung und Parlament. Die Proteste der israelischen Bürger:innen bewirkten bereits erfolgreich die Streichung eines wesentlichen Teils der Reform - mit einer ursprünglich geplanten Aufhebungsklausel sollte es der Knesset, dem israelischen Parlament, möglich sein, Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes mit einfacher Mehrheit aufzuheben.

Nun erklärte das Oberste Gericht eine im Juli verabschiedete Gesetzesänderung, die die Kompetenzen des Gerichts drastisch beschnitt, für nichtig.

Mit der sogenannten "Angemessenheitsklausel" ist es dem Obersten Gericht möglich, gegen „unangemessene“ Entscheidungen der Regierung, des Ministerpräsidenten oder einzelner Minister:innen vorzugehen - so zum Beispiel die Blockierung der Ernennung von Minister:innen, wie es zuletzt zu Anfang letzten Jahres der Fall war. Diese Macht wollten Ministerpräsident Netanjahu und sein nationalistisch-religiöser Koalitionspartner beschränken. Die Richter:innen des Obersten Gerichts erklärten die Aufhebung der Angemessenheitsklausel in einer historischen Entscheidung mit denkbar knapper Mehrheit (8:7) für nichtig. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Gesetzesänderung Israels Demokratie beispiellosen Schaden zufügte. Die Regierung kritisierte das Urteil - ob und wie sie die Entscheidung akzeptieren wird, ist noch unklar.

Quellen und weitere Informationen: Deutschlandfunk, Tagesschau



Neuigkeiten internationaler Spruchkörper und Organisationen


EGMR: Polen muss queere Paare besser schützen

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Polen wegen einer Verletzung von Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) verurteilt.

Geklagt hatten mehrere gleichgeschlechtliche polnische Paare, denen von den polnischen Behörden die Möglichkeit zur Heirat versagt wurde, da nach polnischem Recht die Ehe nur zwischen verschiedengeschlechtlichen Paaren eingegangen werden kann. Für gleichgeschlechtliche Paare gibt es keine Möglichkeit der rechtlichen Anerkennung ihrer Beziehung.

Darin sah der EGMR eine Verletzung der Pflicht Polens, einen rechtlichen Rahmen für die Anerkennung und den Schutz gleichgeschlechtlicher Beziehungen zu schaffen. Mit der aktuellen Rechtslage in Polen sind gleichgeschlechtliche Paare nicht in der Lage, wesentliche Aspekte ihres Zusammenlebens angemessen miteinander zu regeln, wie zum Beispiel Eigentum, Unterhalt, Steuern oder Erbschaft. Den vom polnischen Staat vorgebrachten Bedenken und Gründe gegen eine rechtliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren begegnete der EGMR mangels deren Tragfähigkeit mit Ablehnung. Die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für queere Paare sei demnach auch nicht geeignet, die Integrität und Sicherheit des Instituts der Ehe im traditionellen Sinne zu beeinträchtigen.

Quellen und weitere Informationen: LSVD, Zusammenfassung des EGMR (Przybyszewska and Others v. Poland, applications nos. 11454/17 and 9 others)


EGMR: Menschenrechtsverletzungen auf der Krim

Seit der russischen Annexion der Krim im Februar 2014 gab es auf der Halbinsel eine massive Verschlechterung der Menschenrechtslage; darunter Bedrohungen, Einschüchterungen, Vertreibungen und die Änderung von ukrainischer in russische Gesetze.

Derzeit diskutiert der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), inwieweit Russland für eben diese Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist.

Ein Vorwurf der Ukraine lautet, dass Russland „verwaltungspraktisch“ Menschenrechte verletzt. Dabei stehen Verletzungen des Rechts auf Leben (Art. 2 EMRK), des Folterverbots (Art. 3 EMRK), des Rechts auf Freiheit und Sicherheit (Art. 5 EMRK), des Rechts auf faires Verfahren (Art. 6 EMRK) und der Meinungsfreiheit (Art. 10 EMRK) im Raum.

Kern der Verhandlungen sind jedoch die Überführungen ukrainischer Verurteilter in russisches Hoheitsgebiet und die Strafverfolgung ukrainischer „politischer Gefangener“. Am 16.12.2020 hat der EGMR die Beschwerden der Ukraine teilweise für zulässig erklärt. Nun wurde am 13.12.2023 die Begründetheit dieser Beschwerden verhandelt, jedoch ohne Anwesenheit Russlands.

Weitere Staatenbeschwerden gegen Russland sind allerdings noch nicht für zulässig erklärt, die Verhandlungen über ihre Begründetheit wird wohl noch dauern.

Da Russland seit dem 16.12.2022 kein Mitglied der EMRK mehr ist, kann der EGMR sich nur auf Beschwerden beziehen, die sich auf vor diesem Datum geschehene Verletzungen beziehen. Allerdings hat die Ukraine wegen Menschenrechtsverletzungen seitens Russlands seit 2014 nicht nur vor dem EGMR geklagt: Auch vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag läuft ein wichtiges Verfahren, wo es um die Besetzung der Krim geht.

Quellen und weitere Informationen: Europarat, LTO, SWR



Systemische Verschlechterungen


Hartes Vorgehen gegen Kritiker:innen in Bangladesch

Aktivist:innen und Politiker:innen der Oppositionspartei BNP (Bangladesch Nationalist Party) wurden massenhaft inhaftiert, viele ihrer Mitglieder sind einer politisch motivierten Verfolgung ausgesetzt. 

Die Repressionen gegen politische Gegner:innen nehmen weiter stark zu, Gefängnisse und Haftanstalten sind mittlerweile überfüllt. Im Oktober 2023 waren Proteste gegen die amtierende Regierungschefin Sheikh Hasina ausgebrochen, im Verlauf dieser Großdemonstrationen kam es auch zu mehreren Toten. Am 07.01.2024 steht die Parlamentswahl in Bangladesch an, im Zuge derer auch S. Hasina auf ihre nun insgesamt fünfte Amtszeit hofft, seit sie 2009 zur Premierministerin ernannt worden ist; ein Sieg ist ihr wohl garantiert. Mittlerweile hatte die BNP zu einem Boykott der Wahl aufgerufen, auch weil viele BNP-Angehörige überhaupt nicht imstande sein würden zu wählen. Der Staatsapparat unter Hasina wurde in den Jahren zunehmend autoritärer, gegen Andersdenkende wird massiv vorgegangen. Auch der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus, der als Gegner von S. Hasina gilt, wurde zu einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, Menschenrechtler:innen sehen in dem Verfahren und Urteil angesichts der Einflussnahme der Regierung auf die Justiz einen Versuch der 'Einschüchterung'.

Quellen und weitere Informationen: ntv, SZ, Tagesschau



Ausblick und Aktuelles


75 Jahre "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte"

Vor 75 Jahren wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündet.

Die Mitgliedstaaten nahmen die Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges als Anlass für die internationale Kodifikation der Menschenrechte. Zuvor war deren Schutz eine primär nationale Angelegenheit. In den Jahren 1946 bis 1948 erarbeiteten Vertreter:innen von 18 Staaten unter dem Vorsitz von Eleanor Roosevelt im Rahmen der UN-Menschenrechtskommission die 30 Artikel umfassende AEMR.

Am 10.12.1948 wurde die AEMR von der UN-Generalversammlung verabschiedet; 48 Staaten stimmten zu, acht enthielten sich - Gegenstimmen gab es keine. Als Resolution der Vereinten Nationen ist die AEMR ein Ideal, das Orientierung bietet, jedoch rechtlich nicht bindend und somit per se auch nicht einklagbar ist.

Die AEMR ist ein wichtiger Meilenstein im Schutz von Menschenrechten. Sie bietet die Grundlage für über 70 menschenrechtliche Verträge.



Gedanken zum Abschluss

 

Liebe Leserinnen und Leser,

 

vor nunmehr über zwei Jahren haben wir die Direktion des Newsletter-Ressorts übernommen. Mit einer zu Beginn lediglich ungefähren Idee, was von diesem Newsletter erwartet wird, haben wir doch binnen kürzester Zeit unsere eigenen Erwartungen an dieses Projekt stellen und umsetzen können: So haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, möglichst umfassend die menschenrechtlichen Entwicklungen dieser Welt gebündelt abzubilden und dabei vor allem auch den Geschehnissen Raum zu geben, die nicht die verdiente Aufmerksamkeit erlangen - was sicherlich auch der Fülle an Nachrichten in unserer Medienlandschaft zuzuschreiben ist. Dabei stand immer das Gebot der Neutralität an oberster Stelle, denn wir sind und waren nie Sprachrohr der Organisation.

 

Die Arbeit an diesem Newsletter war jeden Monat aufs Neue spannend, wir selber konnten uns hierüber umfassend informieren und sind Themen begegnet, die sonst auch unter unserem Radar verschwunden wären. Doch gab es auch Momente, in denen die Recherche schwer fiel: Wenn wir eine Schlussbilanz ziehen würden, so war unser monatlicher Rundumblick größtenteils doch von bedrückenden, sorgenvollen Nachrichten durchzogen. Die immer neuen Krisen, die diese Welt aktuell heimsuchen, zu informativen Zwecken aufzubereiten, ohne dabei selbst das ein oder andere Mal zu verzweifeln, war doch des Öfteren auch ein kleiner Kraftakt.

 

Und genau an dieser Stelle sei nun die Bedeutung von Organisationen wie LWOB hervorgehoben: Denn so beängstigend die Zeiten momentan auch sind, sie wären noch viel erdrückender, wenn es diese vielen Engagements nicht gäbe, wenn man hierdurch nicht das Gefühl bekäme, wenigstens im Kleinen zu wirken.

So wie wir mit diesem Newsletter, durch welchen wir den Menschenrechten dort eine Stimme zu geben versuchten, wo sie sonst ungehört blieben.

Deshalb: Danke für diese Möglichkeit, Eure Treue und Unterstützung.

Da es für uns nun an der Zeit ist, das Ressort abzugeben und Platz für die nächste Generation zu machen, wünschen wir unseren Nachfolger:innen eine aufregende und inspirierende Zeit bei LWOB. Ab der nächsten Ausgabe wird der Newsletter unter neuer Regie erscheinen.

 

Euch allen und der Organisation wünschen wir alles Gute und eine blühende Zukunft!

 

Laura und Corinna









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