Unser monatlicher Rundumblick zum Thema Menschenrechte
Herzlich Willkommen zu unserem Newsletter im April 2022 – wir freuen uns sehr, dass Du dabei bist!
Seit 65 Tagen herrscht Krieg in der Ukraine. Vor 65 Tagen startete Russland die groß angelegte Invasion in der Ukraine. Seitdem sind über 6.000 Zivilist:innen getötet oder verletzt worden (OHCHR). Die Ukraine untersucht zusammen mit internationalen Organisationen Kriegsverbrechen in fast 9.000 Fällen. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats (Pace) fordert die Einrichtung eines Sondertribunals für die Verbrechen im Ukrainekrieg. Die schiere Anzahl an Neuigkeiten und Berichten hinsichtlich Grund- und Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg lassen sich kaum noch erfassen. Berichten möchten wir heute über das Massaker von Butscha vor dem Hintergrund des humanitären Völkerrechts. In internationalen bewaffneten Konflikten gilt das humanitäre Völkerrecht, darunter als essentielle Komponente die Genfer Konventionen. Auch während eines Krieges sollen damit zumindest die Grundsätze der Menschlichkeit gewahrt werden. Zivilist:innen sind vor kriegerischen Handlungen zu schützen und menschlich zu behandeln. Anfang April 2022 wurden etliche getötete Zivilist:innen in Butscha, einem Vorort von der Hauptstadt Kiew, aufgefunden. Laut Augenzeug:innen und vorhandenem Bildmaterial wurden Zivilist:innen getötet und gefoltert, Frauen und Mädchen vergewaltigt und die Stadt zerstört. Russland steht damit im Verdacht, Kriegsverbrechen begangen zu haben. Der russische Angriffskrieg ist zudem völkerrechtswidrig: Weder griff Russland zum Zwecke der Selbstverteidigung an, noch wurde der Angriff vom UNO-Sicherheitsrat autorisiert. Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet. Quellen und weitere Informationen: Genfer Konventionen, NZZ Über unseren Linktree gelangst Du zu diversen Seiten und Stellen, bei denen Du Dich über die aktuelle Lage zu Hilfsmöglichkeiten für Geflüchtete aus der Ukraine informieren kannst.
Über uns: Als Student Division sind wir zwar unserer Mutterorganisation Lawyers Without Borders (LWOB) angehörig, agieren aber autonom und organisieren uns eigenständig. Wir arbeiten unserer Mutterorganisation zu und stehen in Zusammenarbeit mit deutschen und europäischen Organisationen. LWOB ist eine NGO mit Sitzen in Großbritannien, Kenia, Tansania und den USA. Ausschlaggebend für die Gründung war die Idee, Anwält:innen weltweit für Human Rights Work zu motivieren und ein globales pro bono-Netzwerk zu schaffen, das auf der ganzen Welt einen Zugang zu Recht garantiert. Mit unserem monatlich erscheinenden Newsletter möchten wir einen Einblick in unsere Tätigkeiten geben, laufende Projekte vorstellen und insbesondere Neuigkeiten zu Menschen- und Grundrechten auf der ganzen Welt teilen - besonders solche, die oftmals unbeachtet bleiben.
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Neuigkeiten im Bereich Menschenrechte
Urteile nationaler Spruchkörper
OLG Celle zu Verfassungsmäßigkeit von § 362 Nr. 5 StPO § 362 Nr. 5 StPO macht es möglich, dass eigentlich abgeschlossene Gerichtsverfahren wiederaufgenommen werden dürfen, "wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen dringende Gründe dafür bilden, dass der freigesprochene Angeklagte wegen Mordes, Völkermordes, des Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechens gegen eine Person verurteilt wird". Diese heftig umstrittene Norm wurde erst im Jahre 2021 in die StPO eingefügt. Viele Jurist:innen sehen sie kritisch unter dem strafprozessualen Grundsatz des ne bis in idem (Verbot der Mehrfachverfolgung). Der 2. Strafsenat des OLG Celle hat § 362 Nr. 5 StPO nun die Verfassungsmäßigkeit bescheinigt und erlaubte so die Wiederaufnahme eines Verfahrens. Der damalige Angeklagte wurde im Jahre 1983 hinsichtlich des Tatvorwurfs der Vergewaltigung und des Totschlages einer 17-jährigen mangels Beweise freigesprochen. Durch die Möglichkeit neuer Verfahren haben sich Beweise ergeben, die nun die Überführung bedeuten können. Unter der alten Rechtslage konnten Verfahren nur wieder aufgenommen werden, wenn das frühere Verfahren unter schweren verfahrensrechtlichen Mängeln litt oder ein freigesprochener Angeklagter die Tat zwischenzeitlich gestanden hatte (§ 362 Nrn. 1-4 StPO). Nachdem die Verteidigung des Angeklagten eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht angekündigt hat, wird auch dieses bald Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Quellen und weitere Informationen: zum Beschluss OLG Celle (v. 20.04.2022 - 2 Ws 62/22), BRAK, LTO
Türkisches Gericht: Haftstrafe für Kavala Der türkische Kulturförderer Osman Kavala ist durch ein Istanbuler Gericht zu einer lebenslangen Haftstrafe ohne die Chance auf Bewährung verurteilt worden. Er sei des Versuchs des sich im Jahre 2016 ereigneten Regierungsumsturzes gegen den türkischen Präsidenten Erdogan schuldig. Auf diesen Vorwurf stützt sich die mittlerweile vier Jahre andauernde Inhaftierung Kavalas in einem Istanbuler Hochsicherheitsgefängnis. Das jetzt gefällte Urteil des Gerichts in Istanbul sieht Kavalas Beteiligung an dem Putschversuch nun als erwiesen an, welche Kavala selbst dementiert. Die internationale Gemeinschaft hatte an Kavalas Inhaftierung bereits mehrfach Anstoß genommen, in der Vergangenheit wurde immer wieder seine Freilassung gefordert und das Verfahren als eines politischer Art deklariert. Das neueste Urteil ließ die Kritik an der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei aufbranden. Mittlerweile hat der Europarat das im Dezember eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen die Türkei vorangetrieben, das sich gegen die Nichtbefolgung eines EGMR-Urteils, welches die Aufhebung der Inhaftierung Kavalas forderte, richtet. Quellen und weitere Informationen: Stern, Süddeutsche, Zeit
Neuigkeiten internationaler Spruchkörper und Organisationen
EGMR zu "Push-Backs" an den EU-Außengrenzen Der EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) hat eine Entscheidung zu den Push-Backs von Flüchtlingen nach Griechenland durch Nordmazedonien getroffen: Die Flüchtlinge hätten die vorhandenen legalen Einreisemöglichkeiten nutzen müssen, Nordmazedonien durfte die Flüchtlinge zurückweisen und ein Verstoß gegen die EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) liegt auch nicht vor (Urt. v. 05.04.2022, Az. 55798/16 u.a.). Die vom Flüchtlingslager Idomeni bis zur Grenze laufenden Menschen waren einige Kilometer hinter der Grenze abgefangen und zurück nach Griechenland gebracht worden. Hierin sahen Pro Asyl und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) einen Verstoß gegen die EMRK. In dieser sind Kollektivausweisungen ohne Einzelfallbewertung verboten. Der EGMR sah das jedoch anders und entschied, dass schon keine individuelle Prüfung der Situation möglich wäre, da die Flüchtlinge illegal eingereist waren und keine Asylanträge gestellt hätten. Laut dem ECCHR ignoriere diese Entscheidung völlig die damalige tatsächliche Situation an der Grenze und die Tatsache, dass monatelang nirgendwo in Nordmazedonien Asyl beantragt werden konnte. Die Aushöhlung des Menschenrechtsschutzes an der Grenze werde dadurch weiter vorangetrieben. Das ECCHR und Pro Asyl prüfen nun, Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen. Quellen und weitere Informationen: ECCHR, LTO, Pro Asyl, Urteil des EGMR
EGMR zur Beihilfe zum Suizid in Dänemark Mit Urteil vom 18. März bestätigte der EGMR die Verurteilung eines dänischen Arztes wegen Beihilfe zum Suizid. Der verurteilte Arzt ist Gründer einer Organisation für assistierten Suizid und veröffentliche im Internet einen Leitfaden für die Durchführung eines Suizids. Dies ist zwar legal - in einem Radiointerview im Jahre 2017 erwähnte er jedoch, Personen bei der konkreten Ausübung des Suizids geholfen zu haben. Das ist in Dänemark strafbar. In der Folge verlor der Arzt seine Zulassung und wurde in Dänemark verurteilt. Der EGMR wies eine Verletzung des Angeklagten in seinem Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) zurück und empfand das Strafmaß von 60 Tagen Haft auch nicht als unangemessen. In Deutschland ist die Beihilfe zum Suizid nicht sanktioniert. Die geschäfts-mäßige Förderung der Sterbehilfe ist legal, seit das Bundesverfassungsgericht § 217 StGB im Jahre 2020 für verfassungswidrig erklärte. Quellen und weitere Informationen: Urt. EGMR v. 18.03.2022 - 15136/20, LTO, taz
Ausblick und Aktuelles
Erste schwarze Richterin am US-amerikanischen Supreme Court Ein historischer Sieg für Präsident Joe Biden und seine US-Regierung: Anfang April wurde die liberale Juristin Ketanji Brown Jackson als erste schwarze Richterin am Obersten Gericht in den USA vom Senat bestätigt. Die Nominierung einer schwarzen Frau für das Amt der Richterin am Obersten Gericht war ein Wahlversprechen Bidens, das er nun erfüllen konnte. Jackson schloss ihr Studium an der Universität Harvard ab und arbeitete danach als Rechtsanwältin und Pflichtverteidigerin. Seit dem Jahr 2013 ist sie Richterin, seit dem Jahr 2021 als solche am Berufungsgericht in Washington D.C. Darüber hinaus gehörte sie der Sentencing Commission an, welche in den USA Leitlinien für das Strafmaß festlegt. Damit kann Jackson einen breit gefächerten Erfahrungsschatz vorweisen, durch den sie eine wertvolle Ergänzung am Supreme Court ist. Trotz alledem bleibt die konservative Mehrheit (6 aus 9) am Obersten Gericht der USA, da Jackson den in Ruhestand gehenden Liberalen Stephen Breyer ablöst. Quellen und weitere Informationen: LTO, tagesschau, Zeit
Indonesien verabschiedet Gesetz zu sexueller Gewalt Das indonesische Parlament hat einen strengen Gesetzentwurf zur Bekämpfung sexueller Gewalt verabschiedet. Seit über sechs Jahren wurde darüber beraten und debattiert. Indonesien ist das Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung. Das neue Gesetz sanktioniert physische als auch nicht-physische sexuelle Gewalt, sexuelle Belästigung mithilfe elektronischer Kommunikationsmittel, Zwangsverhütung, Zwangssterilisation, Zwangsheirat, sexuelle Sklaverei und Ausbeutung. Dies kann mit bis zu 15 Jahren Haft oder Geldstrafe sanktioniert werden. Einzig die konservativ-islamistische Prosperous Justice Party lehnte den Gesetzentwurf mit der Begründung, außerehelicher Geschlechtsverkehr und homosexueller Beziehungen seien nicht unter Strafe gestellt, ab. Für weibliche Aktivist:innen in Indonesien stellt das Gesetz einen Durchbruch dar. Quellen und weitere Informationen: LTO, ORF
Neues vom Verein
Vortragsreihe Kolumbien - Dritte Veranstaltung Unsere Vortragsreihe Kolumbien - Friedensvertrag, Freude, Gar kein Kuchen? – neigt sich langsam, aber sicher dem Ende zu … Am 04. Mai 2022 um 19:00 Uhr wird via Zoom unsere dritte und somit letzte Veranstaltung mit folgenden Referent:innen stattfinden: Natalia Zapata (Journalistin), Robinson Andres Quintero Morales (Erste-Hilfe-Assistent während der Proteste) und Santiago Alberto Vargas Nino (ehemaliger Dozent und Sachverständiger der JEP und Rechtsanwalt mit Fokus auf internationales Recht). Ihr dürft euch auf eine spannende Podiumsdiskussion über den Nationalstreik in Kolumbien, der letztes Jahr die Medienlandschaft erschüttert hat, freuen. Wenn ihr mehr über die Ursache, den Verlauf, die Folgen und vieles mehr erfahren wollt, dann schaltet euch zu! Seid gespannt und erweitert euren Horizont! Ihr könnt euch hier anmelden. Wir freuen uns auf euch!
Neue Recherche bei LWOB: Call for Researchers! Der Deutsch-Kubaner Luis Frometa Compte sitzt seit über einem Dreivierteljahr unschuldig in Kuba im Gefängnis. Man wirft ihm lediglich auf Grundlage eines privaten Handyvideos von Protesten gegen die sozialistische Regierung „Anstiftung zum Aufruhr“ vor und verurteile ihn zu 25 Jahren Haft. Wie geht es Luis? Wie konnte es zu einem solchen Urteil kommen? Was sind die (un-)rechtsstaatlichen Hintergründe hierzu? All diese Fragen werden in unserer neuen Recherche zusammen mit der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte juristisch beleuchtet. Es stehen spannende Gespräche mit Luis' Töchtern und die Auswertung der jeweiligen Klageschriften an. Lust, mitzumachen und dabei zu sein? Melde Dich bei Johannes für weitere Informationen (0171/9148785; j.stuerber@gmail.com) und werde Teil unserer neuen Recherche!
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