Newsletter im Oktober 2025
- lwob_lmu

- 14. Nov.
- 18 Min. Lesezeit
Unser monatlicher Rundumblick zum Thema Menschenrechte
Herzlich willkommen zu unserem Newsletter im Oktober – wir freuen uns sehr, dass Du dabei bist!
Über uns: Als Student Division sind wir zwar unserer Mutterorganisation Lawyers Without Borders (LWOB) angehörig, agieren aber autonom und organisieren uns eigenständig. Wir arbeiten unserer Mutterorganisation zu und stehen in Zusammenarbeit mit deutschen und europäischen Organisationen. LWOB ist eine NGO mit Sitzen in Großbritannien, Kenia, Tansania und den USA. Ausschlaggebend für die Gründung war die Idee, Anwält:innen weltweit für Human Rights Work zu motivieren und ein globales pro bono-Netzwerk zu schaffen, das auf der ganzen Welt einen Zugang zu Recht garantiert. Mit unserem monatlich erscheinenden Newsletter möchten wir einen Einblick in unsere Tätigkeiten geben, laufende Projekte vorstellen und insbesondere Neuigkeiten zu Menschen- und Grundrechten auf der ganzen Welt teilen - besonders solche, die oftmals unbeachtet bleiben.
Disclaimer: Wir haben uns der Aufklärung im Bereich der Menschen- und Grundrechte verschrieben und sind weder politisch noch übernehmen wir Gewähr für Richtigkeit oder Vollständigkeit für die Rubrik „Neuigkeiten im Bereich Menschenrechte“. Die Inhalte der Beiträge wurden mit größter Sorgfalt erstellt. Quellen und Literatur wurden bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des jeweiligen Beitrags geprüft und berücksichtigt. Darüber hinaus distanzieren wir uns von jeglichen weiteren und zukünftigen Inhalten der angegebenen Websites und Institutionen. Aufgrund der höheren Lesbarkeit mit Rücksicht auf sehbehinderte Menschen haben wir uns für den Gender-Doppelpunkt entschieden. LWOB steht für alle Formen der geschlechtlichen Vielfalt ein. Für diesbezügliches Feedback könnt ihr euch gerne an die Ressortleiter:innen wenden.
Neuigkeiten im Bereich Menschenrechte
Neuigkeiten nationaler Spruchkörper und Organisationen
Palästinenser legt Verfassungsbeschwerde gegen deutsche Waffenexporte nach Israel ein
Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant für Israel – gegen diese Waffenlieferungen legte nun ein Palästinenser Verfassungsbeschwerde ein. Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) unterstützt gemeinsam mit den palästinensischen Menschenrechtsorganisationen Palestinian Center for Human Rights (PCHR), Al Mezan und Al Haq einen Beschwerdeführer aus Gaza, der vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Genehmigung von Panzergetrieben des Augsburger Unternehmens Renk anfechten will.
Die Getriebe wurden in israelischen Merkava‑Panzern verbaut, die seit dem Gaza‑Krieg 2023/24 in erheblichem Umfang gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden – unter anderem bei Luftangriffen auf Krankenhäuser, beim Beschuss von Panzerfäusten und bei Bombardierungen von Wohngebieten. Der Beschwerdeführer beruft sich auf sein Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie auf das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG).
Der Versuch, die Exportgenehmigung gerichtlich zu blockieren, scheiterte bereits vor den hessischen Verwaltungsgerichten. Das Verwaltungsgericht Frankfurt wies im Dezember 2024 den Antrag auf Eilrechtsschutz als unzulässig zurück, da keine subjektives Rechtsbetroffenheit des Klägers ersichtlich war. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof bestätigte im September 2025 die Entscheidung und sah keinen hinreichenden Zusammenhang zwischen der BAFA‑Entscheidung und einer konkreten Gefahr für Leib und Leben. Die Gerichte betonten, dass nicht jeder Export von Rüstungsgütern automatisch zu Völkerrechtsverletzungen führe und dass die Getriebe auch in anderen Konflikten – etwa gegen die Hisbollah im Libanon oder Milizen in Syrien – eingesetzt werden könnten.
Das BVerfG prüft nun, ob die beiden Voraussetzungen aus dem Ramstein‑Urteil (Az. 2 BvR 508/21) – ein hinreichender Bezug des deutschen Staates zum ausländischen Kriegsgeschehen und eine ernsthafte Gefahr systematischer Verletzungen des humanitären Völkerrechts – im Kontext des Gaza‑Kriegs erfüllt sind. Diesbezüglich gibt es zahlreiche Anhaltspunkte: Der IStGH hat Israel mehrfach zu Sofortmaßnahmen verpflichtet und die Bodenoffensive in Rafah trotz einer einstweiligen Verfügung fortgeführt; das Gericht erließ im Jahr 2024 Haftbefehle gegen Premierminister Benjamin Netanjahu und Ex‑Verteidigungsminister Joav Gallant wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen; und der UN‑Menschenrechtsrat hält die Voraussetzungen eines Völkermordes im Gazastreifen für erfüllt.
Aus Sicht des ECCHR ist das Verfahren ein Test für die extraterritoriale Schutzpflicht Deutschlands. Das Zentrum betont, dass Entscheidungen über Rüstungslieferungen nicht nur juristische, sondern unmittelbar lebensrelevante Konsequenzen haben. „Deutschland muss Menschen vor den Folgen seiner Waffenexporte schützen“, erklärt Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des ECCHR. Solange die Bundesregierung Waffenlieferungen an Israel genehmigt, die in Gaza systematisch gegen Zivilisten eingesetzt werden, verstoße sie gegen ihre verfassungsrechtlichen Schutzpflichten und gegen das Völkerrecht. Das ECCHR fordert daher ein Verbot weiterer Rüstungsexporte nach Israel, solange das Risiko systematischer Völkerrechtsverstöße besteht, die Aufhebung der israelischen Blockade humanitärer Hilfe und die Ermöglichung unabhängiger internationaler Untersuchungen in Gaza unter dem Mandat der Vereinten Nationen.
Ein positives Urteil des BVerfG würde bedeuten, dass zum ersten Mal deutsche Exportgenehmigungen wegen der Verletzung von Menschenrechten außerhalb von Deutschland aufgehoben werden. Es könnte den Ermessensspielraum der Bundesregierung bei Rüstungsexporten stark einschränken, die Vertretbarkeitskontrolle ausweiten und die Praxis der deutschen Rüstungsindustrie in Konfliktgebieten neu ausrichten. Das Verfahren wird voraussichtlich im Sommer 2026 mündlich verhandelt und dürfte wegweisend dafür sein, wie weit deutsche Gerichte Grundrechte von Menschen außerhalb des Staatsgebiets schützen können.
Quellen und weitere Informationen: LTO (20.10.25), ECCHR (20.10.25), VG Frankfurt, Beschl. v. 16.12.2024, Az. 5 L 3799/24.F, VGH Hessen, Beschl. v. 19.09.2025, Az. 6 B 2457/24,
Neuigkeiten internationaler Spruchkörper und Organisationen
Fehlender menschenzentrierter Ansatz bei KI birgt Risiken für Demokratie und Menschenrechte
Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Dr. Margaritis O’Flaherty, liefert in seinem Chair’s Notes Bericht einen neuen Governance‑Fahrplan und warnt eindringlich, dass ein fehlender menschenzentrierter Ansatz bei Künstlicher Intelligenz das Risiko birgt, Demokratie und Grundrechte zu untergraben.
Identifizierte Bedrohungen umfassen: „Data‑Cages“, also massive, intransparente Datensammlungen, die die Würde und Autonomie der Betroffenen durch tiefgehende Profilbildung aushöhlen; „agentic“ KI‑Systeme in sicherheitsrelevanten Kontexten, die eigenständig Entscheidungen treffen und damit unkontrollierbare Risiken erzeugen; die Gefahr, dass companion‑Chatbots langfristig soziale Isolation verstärken, wenn sie reale zwischenmenschliche Kontakte ersetzen; sowie die Verbreitung von „careless speech“ durch große Sprachmodelle, also subtil falsche Informationen, die das gesamte Informationsökosystem erodieren.
O’Flaherty betont, dass das bestehende regulatorische Gerüst – das Rahmenübereinkommen des Europarates über KI und der EU‑AI‑Act – bereits robust sei, die eigentliche Herausforderung jedoch in deren wirksamer Umsetzung liege. Er fordert deshalb sofortige Maßnahmen zur Förderung digitaler Kompetenz, klare Haftungsregeln für generische KI‑Technologien und eine konsequente menschliche Aufsicht über KI‑Systeme.
Parallel dazu verdeutlicht der Fall der australischen Aktivistin Caitlin Roper, wie schnell KI zu einer Waffe werden kann: Im Jahr 2025 wurde sie auf Plattformen wie X mit extrem realistischen, KI‑generierten Todesdrohungen konfrontiert – Bilder, die sie hängend an einem Strick, in Flammen schreiend oder in einem Holzspalter zerhackt zeigten, wobei sie in mehreren Darstellungen ein blaues Blumenkleid trug, das sie tatsächlich besitzt. Die Bilder wurden von Mitgliedern des Aktivistenkollektivs Collective Shout verbreitet und lösten bei ihr ein starkes Trauma aus.
Dieser Vorfall ist Teil einer wachsenden Tendenz, generative KI für personalisierte, überzeugende Gewaltdrohungen zu missbrauchen: bereits 2023 erhielt ein Richter in Florida ein Video, vermutlich mit dem Charakter‑Custom‑Tool von Grand Theft Auto erstellt, das einen Avatar zeigte, der wie der Richter aussah und erschossen wurde; ein YouTube‑Kanal veröffentlichte über 40 KI‑generierte Videos, in denen Frauen erschossen werden, bevor die Plattform nach einer Meldung der New York Times den Kanal schloss; ein gefälschtes Video eines Schülers mit einer Waffe löste im Frühjahr einen Lockdown an einer High‑School aus; im Juli 2025 gab der Chatbot Grok von xAI einem anonymen Nutzer detaillierte Anweisungen zum Einbruch, zur sexuellen Übergriff und zur Entsorgung der Leiche; und OpenAI’s Text‑zu‑Video‑Tool Sora erzeugte nach Tests der New York Times Szenen eines blutigen Klassenraums und eines maskierten Mannes, der ein junges Mädchen verfolgt, während dieselbe Technologie einem Foto einer realen Person eine blutige Schusswunde hinzufügte.
OpenAI verwies auf Guardrails, laufende Experimente zur Aufdeckung unbekannter Schwachstellen und automatisierte Content‑Moderation, doch weder X noch xAI gaben zu den konkreten Vorfällen Stellung, sodass eine Lücke zwischen technischen Schutzmechanismen und tatsächlicher Verantwortlichkeit bleibt.
Der Bericht des Europarates liefert den politischen Rahmen, der nötig ist, um solche missbräuchlichen Anwendungen von KI zu verhindern: Ohne klare Haftungsregeln, umfassende digitale Aufklärung und eine konsequente, menschenzentrierte Gestaltung von KI‑Systemen könnten Fälle wie der von Caitlin Roper zur Normalität werden und KI zu einem Instrument der Gewalt, Einschüchterung und Desinformation machen. Die nächsten Monate sind entscheidend, denn die Chair’s Notes stehen nun zur öffentlichen Konsultation, während Regulierungsbehörden in der EU und darüber hinaus unter Druck stehen, die geforderten Maßnahmen rasch umzusetzen. Nur ein gemeinsames Vorgehen von Gesetzgebern, Technologieunternehmen und Zivilgesellschaft kann verhindern, dass KI tatsächlich Demokratie und Menschenrechte gefährdet.
Quellen und weitere Informationen: Europarat Bericht / Council of Europe Report, Business & Human Rights Resource Centre
Späte Gerechtigkeit für Darfur – IStGH verurteilt Milizenführer Ali Kuschaib (IStGH, Urt. v. 06.10.2025, Az. 2 ICC-02/05-01/20-1240)
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat am 6. Oktober 2025 erstmals einen Milizenführer aus dem Darfur‑Konflikt verurteilt. Vor 20 Jahren brach im Süden Sudans ein heftiger Bürgerkrieg aus, in welchem es zu Massakern in der südsudanesischen Provinz kam. 2005 hatte der UN-Sicherheitsrat den IStGH aufgefordert, mutmaßliche Täter zu verfolgen. Bisher kam es jedoch nur in einem Fall zu einem Prozess vor dem IStGH.
Ali Muhammad Ali Abd‑Al‑Rahman, besser bekannt als Ali Kuschaib, wurde in 31 Fällen wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gesprochen. Im 355‑seitigen Urteil der Strafkammer um Vorsitzende Joanna Korner und die Richterinnen Reine Alapini‑Gansou sowie Althea Violet Alexis‑Windsor befand das Gericht, dass der Verurteilte von 2003 bis 2004 Befehle erteilt habe, die zu Morden, Vergewaltigungen, Folter, Verfolgung und Angriffen auf Zivilisten in den Ortschaften Kodoom, Bindisi, Mukjar und Deleig führten. Zeugen beschrieben, wie Janjaweed‑Kämpfer „die Einwohner der Stadt wahllos erschossen“ und ein verwundeter Vater seine Kinder aufforderte, „ihn zurückzulassen und sich zu retten“.
Der heute 75‑ oder 76‑jährige Angeklagte, der sich 2020 freiwillig dem Gericht stellte, wies die Vorwürfe zurück und sprach von einer Personenverwechslung – die Richterinnen verwiesen jedoch auf eindeutige Zeugenaussagen. Die Dschandschawid‑Miliz, von der sudanesischen Regierung unterstützt, wird für die Ermordung von etwa 300 000 Menschen in Darfur zwischen 2003 und 2006 verantwortlich gemacht.
Das Urteil ist das erste IStGH‑Urteil im Darfur‑Fall und das erste, das aus der UN‑Sicherheitsratsresolution 1593 (2005) resultiert. Das Strafmaß wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet; ein Rechtsmittelverfahren und ein Entschädigungs‑ bzw. Wiederaufbau‑Programm für die Opfer stehen ebenfalls an.
Während das Urteil als „entscheidender Schritt zur Beendigung der Straflosigkeit“ (Staatsanwältin Nazhat Shameem Khan) und als „erstes, längst überfälliges Zeichen der Wiedergutmachung“ (Hoher Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte Volker Türk) gefeiert wird, bleibt die Lage in Sudan angespannt. Seit 2023 haben erneute Kämpfe zwischen der sudanesischen Armee und den Rapid Support Forces – einer 2013 aus den Janjaweed hervorgegangenen Miliz – zu einer der schlimmsten humanitären Krisen der Gegenwart geführt; die Vereinten Nationen berichten von über 12 Millionen Vertriebenen. Die Anklagebehörde plant zudem Haftbefehle gegen den ehemaligen Präsidenten Omar al‑Bashir, den ehemaligen Innenminister Ahmad Harun und den ehemaligen Verteidigungsminister Abdel Raheem Hussein, um die Aufarbeitung der Gräueltaten weiter voranzutreiben.
Quellen und weitere Informationen: UN News (06.10.25), LTO (06.10.25), ZEIT (06.10.25), Süddeutsche Zeitung (07.10.25), IStGH, Urt. v. 06.10.2025, Az. 2 ICC-02/05-01/20-1240
Ausblick und Aktuelles
Debatte um Gesetzesentwurf: Ist eine Wehrpflicht per Losverfahren gerecht?
Der Gesetzentwurf zur Modernisierung der Wehrpflicht hat bereits vor seiner ersten Lesung im Bundestag für heftige Kontroversen gesorgt – auch Bundespräsident Frank‑Walter Steinmeier hat sich öffentlich dazu geäußert. Im SWR‑Magazin Zur Sache Rheinland‑Pfalz drückte er deutliche Zweifel daran aus, ob das geplante Losverfahren ein verfassungsrechtlich tragfähiges Instrument sei, und brachte stattdessen den Vorschlag einer allgemeinen Dienstpflicht für Männer und Frauen ins Spiel, bei der junge Menschen zwischen einem sozialen Dienst und dem Wehrdienst wählen könnten.
Gem. NATO‑Vorgaben muss die Bundeswehr eine Sollstärke von rund 260 000 aktiven Soldaten besitzen; derzeit fehlen etwa 80 000. Zusätzlich soll die Reserve auf 200 000 Personen aufgestockt werden. Das geplante Wehrdienstgesetz soll daher einen Teil der seit 2011 ausgesetzten Wehrpflicht faktisch reaktivieren – jedoch in abgewandelter Form. Ab dem kommenden Jahr sollen alle 18‑Jährigen angeschrieben werden, um Angaben zu Ausbildung, Gesundheitszustand und ihrer möglichen Bereitschaft zu einem mindestens sechs‑monatigen Dienst zu machen. Männer wären zur Antwort bußgeldbewehrt verpflichtet, während Frauen freiwillig teilnehmen könnten; eine Ausweitung auf Frauen würde eine Grundgesetzänderung erfordern.
Der Gesetzentwurf wurde am Donnerstag in seiner ersten Lesung im Bundestag diskutiert und anschließend an den zuständigen Ausschuss verwiesen. Das Losverfahren, das im Falle unzureichender freiwilliger Meldungen als „Teil‑Wehrpflicht“ vorgesehen ist, ist im aktuellen Entwurf noch nicht enthalten; es dürfte erst im Rahmen der Ausschussberatungen konkretisiert werden. Bereits jetzt ist es sehr wahrscheinlich, dass die freiwilligen Meldungen nach dem neuen System bei weitem nicht ausreichen werden, um den Personalbedarf zu decken. Deshalb ist die Diskussion darüber, was im Notfall geschehen soll, eskaliert. Da das Losverfahren bislang nicht im Gesetzentwurf verankert ist, bleibt es ein offenes Diskussionsthema im Ausschuss.
Steinmeier erinnerte daran, dass er als Staatsoberhaupt das letzte Glied im Gesetzgebungsprozess bildet: Nach Durchlaufen von Bundestag und Bundesrat liegt das Gesetz auf seinem Schreibtisch, wo er es formell ausfertigen muss. Dabei prüft er nicht nur formell die ordnungsgemäße Entstehung, sondern – in engen Grenzen – auch offensichtliche Verstöße gegen das Grundgesetz. Historisch hat der Bundespräsident nur achtmal die Unterzeichnung verweigert, zuletzt 2006 durch Horst Köhler. Steinmeiers aktuelle Skepsis sei daher vornehmlich politisch‑mahnender Natur, signalisierte jedoch, dass er im Falle gravierender verfassungsrechtlicher Bedenken das Gesetz theoretisch stoppen könne.
Das geplante Losverfahren berührt zentrale Grundrechte: Art. 3 GG, weil eine zufällige Auslosung mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar sein muss; Art. 12a GG, weil die Wiedereinführung einer (abgewandelten) Wehrpflicht Fragen zur Ausgestaltung und zum Umfang der Pflicht aufwirft; und Art. 4 Abs. 3 GG , weil das Recht, aus Gewissensgründen den Kriegsdienst zu verweigern, durch ein Losverfahren unter Druck geraten könnte.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte Anfang des Jahres jedoch betont, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung kein „unabdingbarer Grundsatz“ der Verfassungsordnung sei – ein Befund, der in der Fachöffentlichkeit kontrovers diskutiert wird.
Steinmeier bezeichnete die aktuelle Diskussion zudem als „kommunikative Fehlleistung“ und warnte davor, dass ein frühzeitiges Ausspielen gesellschaftlicher Gruppen – „Junge gegen Alte, Alte gegen Junge“ – das Vertrauen in die demokratische Entscheidungsfindung untergrabe. Sein Appell an eine allgemeine Dienstpflicht solle daher nicht nur die Wehrfähigkeit stärken, sondern zugleich die gesellschaftliche Teilhabe fördern.
Die nächsten Schritte im Gesetzgebungsverfahren umfassen die Ausschussberatungen, in denen entschieden wird, ob das Losverfahren in den Gesetzentwurf aufgenommen oder verworfen wird, sowie die abschließende Abstimmung im Bundestag und Bundesrat. Sollte das Gesetz den Bundespräsidenten erreichen, könnte Steinmeier – gestützt auf seine verfassungsrechtliche Prüfungsbefugnis – das Inkrafttreten verhindern, falls er gravierende Grundrechtskonflikte erkennt. Damit bleibt die zentrale Frage offen, ob ein zufallsbasiertes Rekrutierungsinstrument mit den Grundrechten der Verfassung vereinbar ist und gleichzeitig die NATO‑Vorgaben erfüllt, ohne die demokratischen Prinzipien zu gefährden.
Quellen und weitere Informationen: LTO (14.10.25), LTO (16.10.25), Tagesschau (16.10.), LTO (23.10.25)
Bundesjustizministerin plant Gesetzesreform zur stärkeren Bekämpfung von Menschenhandel und Ausbeutung
Im Rahmen einer von der Justizbehörde beauftragten wissenschaftlichen Evaluation und angesichts niedriger Verurteilungszahlen wurde festgestellt, dass die seit 2016 geltenden Menschenhandels‑ und Ausbeutungsdelikte im Strafgesetzbuch (StGB) unübersichtlich sind und die Beweislast zu hoch ist. Der neue Gesetzentwurf der Bundesjustizministern Stefanie Hubig modernisiert die §§ 232‑233a StGB (Menschenhandel) sowie die §§ 180a, 181a StGB (sexuelle Ausbeutung): neben einer Ausweitung des Tatbestands auf Leihmutterschaft, Zwangsheirat und Adoption wird ein neuer § 232a StGB eingeführt, der die sogenannte Nachfragestrafbarkeit erweitert: künftig können nicht nur Freier, die wissentlich sexuelle Dienstleistungen von Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen, sondern auch Kunden in anderen Bereichen – etwa in Nagelstudios oder bei Bauprojekten – strafrechtlich belangt werden, wenn sie wissen, dass die erbrachten Leistungen von ausgebeuteten Personen stammen.
Gleichzeitig wird der Strafrahmen für Menschenhandel von bisher sechs Monaten bis zu fünf Jahren Haft generell auf bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe angehoben; in besonders schweren Fällen (Gewalt, Entführung, bandenmäßiges Handeln oder minderjährige Opfer) war diese Höchststrafe bereits vorgesehen. Auch die bislang auf mehrere Vorschriften verteilten Tatbestände zur entgeltlichen sexuellen Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen werden zusammengefasst, ausgeweitet und mit höheren Strafen versehen, um den Schutz von Minderjährigen zu stärken. Hubig betont: „Menschenhandel ist moderne Sklaverei. Auch Deutschland ist Tatort – im Bau, in der Pflege und im Bereich der Zwangsprostitution. Wir müssen das Strafrecht so anpassen, dass Menschenhandel effektiv verfolgt werden kann.“
Parallel dazu arbeitet das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz an einer Gesetzesinitiative gegen bildbasierte sexualisierte Gewalt. Anlass war das Gespräch der Kölnerin Yanni Gentsch mit der Ministerin: Gentsch wurde im Februar im Grüngürtel beim Joggen von einem Mann heimlich von hinten gefilmt, stellte ihn zur Rede und veröffentlichte das Video auf Instagram. Trotz massiver öffentlicher Empörung blieb eine strafrechtliche Verfolgung aus, weil das deutsche Strafrecht das heimliche, sexuell motivierte Filmen – selbst wenn die Betroffenen bekleidet sind – nicht ausdrücklich unter Strafe stellte. Gentsch initiierte daraufhin die Petition „Voyeur‑Aufnahmen strafbar machen“, die innerhalb kurzer Zeit über 130. 000 Unterschriften sammelte und bereits Unterstützung von NRW‑Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) erhalten hat. Der geplante Gesetzentwurf soll die Nachfragestrafbarkeit von digitalen Voyeurismus‑Taten erweitern, das heimliche, sexuell motivierte Filmen generell strafbar machen und die Nutzung, Verbreitung oder Erpressung solcher Aufnahmen unter Strafe stellen. Ziel ist ein wirksamerer Schutz vor digitaler Gewalt und die Schließung der juristischen Lücke, die Fälle wie den von Gentsch bislang ungestraft ließ.
Der Gesetzesentwurf hierzu steht in Planung, wurde jedoch noch nicht veröffentlicht.
Der Entwurf Hubigs zur stärkeren Bekämpfung von Menschenhandel und Ausbeutung ist auf der Website des BMJV zu finden und wurde bereits an die Bundesländer sowie an zivilgesellschaftliche Verbände zur Stellungnahme gesandt – die Frist für Rückmeldungen endet am 28. November 2025.
Sollten die Vorhaben das Parlament passieren, würden sie das Strafrecht in Deutschland grundlegend stärken – einerseits durch eine umfassendere Verfolgung von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung, andererseits durch die Schließung der Lücke, die digitale Gewalttaten bislang ungestraft ließ.
Quellen und weitere Informationen: Spiegel (18.10.25), ZEIT (20.10.25), LTO (20.10.25), Gesetzesentwurf Menschenhandel u. Ausbeutung, BMJV
Iran: Politische Debatte über Frauen, die Motorrad fahren
Das iranische Verkehrs- und Führerscheinrecht erwähnt nur Männer, die den Motorradführerschein machen können, diese Formulierung wurde bislang als Fahrverbot für Frauen interpretiert. Trotz dieses Verbots ist ein Anstieg von Frauen zu beobachten, die eigenständig Motorrad fahren. Sie sind im alltäglichen Verkehr zu sehen und in zahlreichen viralen Videos: als Gruppen, die auf bunten Rollern durch die Hauptstadt fahren – teilweise ohne Kopftuch – oder bei einem nächtlichen Treffen vor einem Café. Diese Sichtbarkeit hat das Thema in die öffentliche Debatte gehoben.
Die 46‑jährige Yeganeh, die nach dem Tod ihres Mannes auf ihr Motorrad als Transportmittel angewiesen war, beschreibt es als Quelle von Freude, Freiheit und stillen Widerstand. Für sie ist das Motorrad auch ein Symbol für das tägliche Ringen um Selbstbestimmung und ein „natürliches Recht“ auf Gleichberechtigung als Frau im Iran. Die aktuelle Bewegung ist eng verknüpft mit den nach dem Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini entstandenen Protesten („Frau, Leben, Freiheit“). Diese haben das Bewusstsein für Geschlechtergleichheit geschärft und das Verlangen vieler Frauen nach mehr Freiheit und Rechten gestärkt – viele haben das Kopftuch dauerhaft abgelegt. Das Motorradfahren ist ein ebenfalls sichtbarer Ausdruck dieses Wandels.
Das wachsende Phänomen hat das iranische Parlament veranlasst, über eine mögliche Gesetzesänderung zu debattieren. Eine Regierungsvertreterin im Staatsfernsehen betonte jedoch, dass es aus staatlicher Sicht keine rechtlichen Bedenken gebe – verwiesen wird bereits bestehende Rechte von Frauen, etwa das Fahren von Traktoren, Lkw‑Führerscheine oder sogar das Fliegen von Flugzeugen.
Solange das Thema allerdings in einer rechtlichen Grauzone verbleibt, bleibt das Fahren von Motorrädern für Frauen ein riskantes, aber zunehmend sichtbares Zeichen des gesellschaftlichen Wandels im Iran. Die weitere Entwicklung hängt davon ab, ob das Parlament tatsächlich eine Gesetzesreform beschließt oder die Behörden die Praxis weiterhin nach eigenem Ermessen sanktionieren dürfen. In jedem Fall dürfte das Phänomen die Debatte über Frauenrechte und persönliche Freiheit im Iran weiterhin befeuern.
Quellen und weitere Informationen: Tagesschau (31.10.), FAZ (20.10)
Schwere humanitäre Krise und Genozid im Sudan
Am Wochenende vom 25. - 26 Oktober hat die paramilitärische Miliz der Rapid Support Forces (RSF) nach einer 18‑monatigen Belagerung die sudanesische Großstadt Al‑Fashir eingenommen und damit die gesamte Region Darfur unter ihre Kontrolle gebracht. Die sudanesische Armee (SAF) wirft der RSF‑Miliz in einer offiziellen Erklärung die Tötung von mehr als 2 000 unbewaffneten Zivilisten vor. Das UN‑Menschenrechtsbüro hat zahlreiche Zeugenaussagen zu Massenerschießungen, Vergewaltigungen und Angriffen auf humanitäre Helfer erhalten und spricht von einem erhöhten Risiko groß angelegter Gräueltaten, einschließlich ethnisch motivierter Verbrechen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat seine tiefe Besorgnis über die Lage zum Ausdruck gebracht.
Humanitäre Daten verdeutlichen das Ausmaß der Krise. Vor der Einnahme von Al‑Fashir waren rund 260 000 Zivilisten – die Hälfte davon Kinder – in der Stadt gefangen, ohne Zugang zu Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung. Seitdem haben sich viele Familien in provisorischen Lagern im Norden Darfurs, etwa in Tawila, niedergelassen. Die Lager sind überfüllt, die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten ist unzureichend, und Kinder sowie ältere Menschen sterben täglich an Hunger und Krankheiten. Nur über das Satelliten‑Internet‑System Starlink können NGOs noch mit Menschen vor Ort kommunizieren; die regulären Internetverbindungen wurden weitgehend gekappt.
Die Flucht aus Al‑Fashir ist nur Wenigen gelungen. Laut Mathilde Vu vom norwegischen Flüchtlingsrat haben nur sehr wenige Überlebende die etwa 60 km entfernte Ortschaft Tawila zu Fuß erreicht. Augenzeugen berichten von Drohnenangriffen und Beschuss, die Fluchtwege blockierten und zahlreiche Menschen auf dem Weg töten.
Ein besonders umstrittenes Ereignis betrifft die Geburtsklinik von Al‑Fashir. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat anhand von Augenzeugenberichten, Regierungsangaben sowie Fotos und Videos verifiziert, dass in der Klinik mehr als 460 Menschen – überwiegend Patientinnen und deren Begleitpersonen – getötet wurden. Die RSF‑Miliz bestreitet diese Zahlen und bezeichnet die Berichte als Erfindungen ihrer Gegner. Satellitenbilder, die von Expertinnen und Experten der US‑Universität Yale ausgewertet wurden, zeigen jedoch Spuren, welche die massenhaften Tötungen bestätigen.
Die internationale Gemeinschaft reagiert bislang zögerlich. Die USA haben den Völkermord bereits unter der vorherigen Regierung als „Genozid“ eingestuft, doch konkrete Druckmittel gegen die wichtigsten Unterstützer der RSF – insbesondere die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi‑Arabien und Katar – fehlen bislang. Die EU, stark in geopolitische Allianzen und Rohstoffinteressen eingebunden, richtet ihre Aufmerksamkeit vornehmlich auf andere Krisen, während Sudan kaum Beachtung findet.
Seit dem Ausbruch des bewaffneten Konflikts im April 2023 haben Zehntausende Menschen ihr Leben verloren und rund 12 Millionen Menschen wurden innerhalb des Landes vertrieben – die weltweit größte Flüchtlingskatastrophe. Historisch wurden in Darfur bereits in den frühen 2000er‑Jahren massenhafte Verbrechen an der nicht‑arabischen Bevölkerung verübt; Schätzungen gehen von etwa 300 000 Toten aus. Die aktuelle Situation wird von einigen Beobachter:innen als „Völkermord mit Ansage“ bezeichnet, weil ethnisch motivierte Angriffe, systematische Vergewaltigungen und die Zerstörung ziviler Infrastruktur weiter zunehmen.
In einer Unterrichtung des Sicherheitsrates schilderte UN‑Hilfskoordinator Tom Fletcher, dass RSF‑Kämpfer Haus‑zu‑Haus vorgingen und „verbreitete Hinrichtungen“ dokumentiert wurden, während Frauen und Mädchen systematisch vergewaltigt, Menschen verstümmelt und massenhaft getötet wurden – alles mit völliger Straflosigkeit. Fast 500 Patientinnen und Begleitpersonen sollen in der saudischen Geburtsklinik von El Fascher ums Leben gekommen sein; die Einrichtung war eines von mehreren Gesundheitszentren, die im Gefecht getroffen wurden. Die UN berichten, dass zehntausende Zivilisten – überwiegend Frauen, Kinder und ältere Menschen – seit dem Fall zu Fuß nach Tawila (ca. 50 km) fliehen. Auf der Flucht seien sie mit Erpressung, sexueller Gewalt und weiterer Gewalt konfrontiert. Die UN‑Stellvertreterin für Afrika, Martha Pobee, bezeichnete den Verlust El Faschers als „signifikante Verschiebung der Sicherheitsdynamik“ mit tiefgreifenden regionalen Folgen. In den letzten Tagen habe die RSF die strategisch wichtige Stadt Bara im Kordofan eingenommen. Dort seien mindestens 50 Zivilisten, darunter fünf Freiwillige des Sudanischen Roten Kreuzes, getötet worden. Drohnenangriffe beider Kriegsparteien richteten sich inzwischen auf neue Ziele in Blue Nile, Südkordofan, West‑Darfur und Khartum, wodurch das territoriale Ausmaß des Konflikts weiter wachse.
Während die Afrikanische Union (AU), das UN‑Menschenrechtsbüro und zahlreiche Menschenrechtsorganisationen ein sofortiges Ende der Gewalt und unabhängige Untersuchungen fordern, setzen die RSF‑Führer ihre Operationen fort. Ohne wirksames internationales Eingreifen droht die Lage, sich zu einer dauerhaften humanitären Katastrophe zu entwickeln.
Quellen und weitere Informationen: ZEIT (28.10.25, 12:51 Uhr), ZEIT (28.10.25, aus der ZEIT Nr. 46/2025), ZEIT (30.10.25), UN News (30.10.25), ZEIT (31.10.25)
Aktuelles zur Lage im Gazastreifen: Freilassung der Geiseln nach dem 20-Punkte-Plan, Brüche der Waffenruhe
13. Oktober 2025: Nach 738 Tagen Gefangenschaft hat die Hamas die letzten im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln entlassen. Laut israelischen Medien befinden sich alle Freigelassenen in „gutem Zustand“. Im Gegenzug für die Geiselübergabe sieht der von US‑Präsident Donald Trump initiierte Plan vor, dass Israel rund 2 000 palästinensische Häftlinge frei lässt, davon bis zu 250 mit lebenslanger Haft. Am 10. Oktober trat im Rahmen dieses Plans eine Waffenruhe in Kraft; die israelische Armee hat sich auf die vereinbarte Linie zurückgezogen, behielt aber die Kontrolle über etwa die Hälfte des von Israel abgeriegelten Küstenstreifens. Teil der Vereinbarung ist die Übergabe von 28 Leichen durch die Hamas an Israel – ein internationaler Suchtrupp soll die Überreste bergen, doch das israelische Militär bezweifelt, dass die Hamas alle Leichen innerhalb der 72‑Stunden‑Frist der Waffenruhe übergeben kann. Vor der Freilassung berichteten bereits entlassene Geiseln von Folter, Misshandlungen und Unterernährung, in von der Hamas veröffentlichtem Videomaterial waren abgemagerte Gefangene zu sehen.
Deutschland hat zugesagt, die Umsetzung zu unterstützen und beim Wiederaufbau des Gazastreifens mitzuwirken. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dr. Josef Schuster, betont, dass die Freilassung kein Zeichen der Normalität sei: die Hamas müsse entwaffnet und entmachtet werden, und der Wiederaufbau sowie ein dauerhafter Frieden seien nur ohne ihre Beteiligung möglich.
19. Oktober 2025: Bereits neun Tage nach Inkrafttreten der Waffenruhe hat sich die Lage im Gazastreifen erneut verschärft. Israel wirft der Hamas einen erneuten Verstoß gegen die seit dem 10. Oktober geltende Waffenruhe vor. Nach Angaben der israelischen Armee wurden am Morgen Panzerabwehrraketen und Scharfschützenfeuer auf die israelischen Kräfte im Süden des Gazastreifens abgefeuert. Diese reagierten mit Luftangriffen von Kampfjets und Artilleriebeschuss auf die Stadt Rafah. Das Militär bezeichnete die Vorfälle als „eklatante Verletzung der Waffenruhe“ und kündigte an, bei jedem weiteren Verstoß „entschlossen“ zu handeln.
Laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde starben bei den jüngsten Kämpfen mindestens 29 Palästinenser – israelische Krankenhäuser meldeten weitere 14 Tote, darunter Opfer in einem behelfsmäßigen Café an der Küste. Aufgrund des angeblichen Bruchs der Waffenruhe hat Israel die Lieferung humanitärer Hilfsgüter in den Gazastreifen wieder eingestellt – Benjamin Netanjahu befahl nach Rücksprache mit Verteidigungsminister Katz, „mit aller Härte“ gegen terroristische Ziele vorzugehen. Die Hamas wies jede Verantwortung zurück und betonte ihre „vollständige Verpflichtung, alles umzusetzen, was vereinbart wurde“.
Das US‑Außenministerium warnte vor einem weiteren Waffenbruch der Hamas und kündigte Schutzmaßnahmen für die Zivilbevölkerung an. Präsident Donald Trump drohte, bei fortgesetzten Hamas‑Angriffen „reinzugehen und sie zu töten“.
Im Rahmen des Waffenstillstands sollten 28 tote Geiseln an Israel übergeben werden. Bisher hat die Hamas 12 Leichen zurückgeliefert. Das israelische Militär bezweifelt, dass die restlichen Leichen innerhalb der vereinbarten 72‑Stunden‑Frist übergeben werden können.
21. Oktober 2025: Die Waffenruhe hat nicht gehalten – die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa meldete die Tötung zweier Menschen durch israelischen Beschuss im Viertel Tuffah im Osten von Gaza-Stadt. Das israelische Militär berichtete, in Nachbarviertel Schedschaija hätten zweimal Palästinenser ein militärisch kontrolliertes Gebiet betreten und “die gelbe Linie” überschritten, hinter die sich das Militär als Teil der Waffenruhe zurückgezogen hatte. Den Beschuss auf die Palästinenser, bei denen von “Terroristen” gesprochen wurde, rechtfertigte das Militär damit, dass diese eine Bedrohung für die Soldaten dargestellt hätten. Dieser Bericht des Militärs war keine Antwort auf die Meldung der Nachrichtenagentur, es war zunächst unklar, ob einer der beiden Vorfälle im Zusammenhang mit der Meldung der zwei Toten standen.
US-Präsident Donald Trump drohte der Hamas angesichts der wiederholten Verstöße gegen die Waffenruhe mit Vernichtung: wenn sie sich nicht “benehmen”, würde man sie “auslöschen”. Er vermutet, dass diese nicht der Führung der Terrororganisation zuzurechnen sei, sondern einer Rebellion.
Israel lässt nun wieder humanitäre Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Nach Einschätzung der Welthungerhilfe ist die Lage weiterhin katastrophal. Nach wie vor herrscht in Teilen eine Hungersnot und mehr als zwei Millionen Menschen im Küstengebiet sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Die Hamas hat erneut eine tote Geisel – die Leiche des Israelis Tal Haimi – an Israel übergeben. Seit der Waffenruhe hätten die Hamas schon längst alle 28 toten Geiseln an Israel überstellen sollen. Bisher haben sie allerdings nur 13 übergeben.
Eine Analyse von ARD‑Tel Aviv und BR Data (Radar‑Satellitendaten) zeigt, dass mindestens 70 % aller Gebäude beschädigt oder zerstört sind. In Gaza‑Stadt sind rund 85 %, in Rafah 80 % der Bausubstanz betroffen. Die Vereinten Nationen schätzen das vorhandene Trümmeraufkommen auf 55 Millionen Tonnen, was in etwa 13 Pyramiden von Gizeh entspricht. Die Kosten für den Wiederaufbau wurden im Frühjahr auf über 50 Milliarden US-Dollar geschätzt, aktuelle Experten gehen jedoch von deutlich höheren Summen aus. Der Wiederaufbau kann erst beginnen, wenn die Trümmer geräumt sind.
Quellen und weitere Informationen: LTO (13.10.), Tagesschau (19.10., 20:08 Uhr), Tagesschau (19.10., 21:27 Uhr), Tagesschau (21.10., 10:13 Uhr), Tagesschau (21.10., 12:22 Uhr)
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