Unser monatlicher Rundumblick zum Thema Menschenrechte
Herzlich Willkommen zu unserem Newsletter im März – wir freuen uns sehr, dass Du dabei bist!
Über uns: Als Student Division sind wir zwar unserer Mutterorganisation Lawyers Without Borders (LWOB) angehörig, agieren aber autonom und organisieren uns eigenständig. Wir arbeiten unserer Mutterorganisation zu und stehen in Zusammenarbeit mit deutschen und europäischen Organisationen. LWOB ist eine NGO mit Sitzen in Großbritannien, Kenia, Tansania und den USA. Ausschlaggebend für die Gründung war die Idee, Anwält:innen weltweit für Human Rights Work zu motivieren und ein globales pro bono-Netzwerk zu schaffen, das auf der ganzen Welt einen Zugang zu Recht garantiert. Mit unserem monatlich erscheinenden Newsletter möchten wir einen Einblick in unsere Tätigkeiten geben, laufende Projekte vorstellen und insbesondere Neuigkeiten zu Menschen- und Grundrechten auf der ganzen Welt teilen - besonders solche, die oftmals unbeachtet bleiben.
Disclaimer: Wir haben uns der Aufklärung im Bereich der Menschen- und Grundrechte verschrieben und sind weder politisch noch übernehmen wir Gewähr für Richtigkeit oder Vollständigkeit für die Rubrik „Neuigkeiten im Bereich Menschenrechte“. Die Inhalte der Beiträge wurden mit größter Sorgfalt erstellt.Quellen und Literatur wurden bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des jeweiligen Beitrags geprüft und berücksichtigt. Darüber hinaus distanzieren wir uns von jeglichen weiteren und zukünftigen Inhalten der angegebenen Websites und Institutionen.Aufgrund der höheren Lesbarkeit mit Rücksicht auf Sehbehinderte haben wir uns für den Gender-Doppelpunkt entschieden. LWOB steht für alle Formen der geschlechtlichen Vielfalt ein. Für diesbezügliches Feedback könnt ihr euch gerne an die Ressortleiterinnen wenden.
Neuigkeiten im Bereich Menschenrechte
Entscheidungen nationaler Spruchkörper
Iran: Oberstes Gericht bestätigt Todesurteil gegen Jamshid Sharmahd Der Oberste Gerichtshof des Irans hat das Todesurteil gegen den Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd bestätigt. Es handelt sich dabei um die letztinstanzliche Entscheidung, die nicht mehr mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann. Die Vollstreckung des Urteils kann nun jederzeit erfolgen. Das internationale Echo blieb nicht aus: Die Europäische Union und diverse Menschenrechtsorganisationen forderten die iranische Justiz auf, das Urteil mit sofortiger Wirkung aufzuheben. Sharmahd habe keinen fairen Prozess erhalten und zu keiner Zeit Zugang zu einer von ihm gewählten anwaltlichen Verteidigung gehabt. Friedrich Merz, der im Januar die politische Patenschaft für Sharmahd übernommen hat, sagte den Medien, dass er schon vor mehreren Wochen bei der iranischen Botschaft in Berlin einen Einreiseantrag für den Iran gestellt habe, der nach wie vor nicht bewilligt worden sei. Neben der Außenministerin Annalena Baerbock forderte auch Merz die iranische Regierung auf, das "Unrechtsurteil aufzuheben und Jamshid Sharmahd die Ausreise nach Deutschland zu ermöglichen". Außerdem sei der deutsche Botschafter im Iran sofort zurück nach Teheran gereist, um bei den dortigen Behörden zu intervenieren. Es bleibt inständig zu hoffen, dass die Forderungen erfüllt werden. Der Iran äußerte sich bislang nicht. Anlässlich der Verurteilung von Jamshid Sharmahd haben wir zusammen mit der IGFM (Internationale Gesellschaft für Menschenrechte) einen Kurzbeitrag veröffentlicht, der sich auf zentrale Menschenrechtsverletzungen nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) seit seiner Festnahme im Sommer 2020 konzentriert und auch bereits einige Ergebnisse unserer laufenden Recherche vorstellt. Diese könnt ihr hier nachlesen. Quellen und weitere Informationen: FAZ, tagesschau, Zeit
Neuigkeiten internationaler Spruchkörper und Organisationen
EGMR: Entschädigung wegen Lebensbedingungen in Geflüchteten-Hotspot Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat einer Geflüchteten aus Ghana eine Entschädigung von 5.000 EUR aufgrund immaterieller Schäden zugesprochen. Sie war 2019 im sechster Monat schwanger im griechischen Geflüchteten-Hotspot Samos angekommen und lebte dort drei Monate lang unter Bedingungen, die die Richter als „unmenschliche und erniedrigende Behandlung“ im Sinne des Art. 3 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) einstuften. Die Einstufung als solche Behandlung erfolgt am konkreten Einzelfall. Vorliegend musste die hochschwangere Frau, die bereits mehrere Fehlgeburten erlitten hatte, zusammen mit ihrem Ehemann außerhalb des eigentlichen Geflüchtetencamps auf einem schlammigen Hügel leben. Dort gab es keine festen Unterkünfte und auch der Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung war nur eingeschränkt gegeben – lediglich 35 Toiletten gab es auf Samos für mehr als 4.000 geflüchtete Menschen. Ein Zelt und Decken kauften sich das Paar schließlich selbst. Auch ein Verlassen der Insel war der Frau untersagt worden, erst nach der Geburt des Kindes war eine Abreise möglich. Die Gesamtwertung dieser Umstände erreicht hier den für die Erfüllung des Art. 3 EMRK vom EGMR geforderten Mindestschweregrad. Auch die hohe Belastung an den EU-Außengrenzen ändert daran nichts. Das Gericht betont vielmehr, dass die absoluten Rechte der Vorschrift auch in solchen Ausnahmezuständen gewahrt werden müssen. Quellen und weitere Informationen: LTO, tagesschau
EGMR: Entscheidung zu trans* Eltern Nach dem EGMR können trans* Personen nach einer erfolgten Geschlechtsanpassung keine Änderungen an der Vater- oder Mutterschaft in der Geburtsurkunde vornehmen. Dies hat der EGMR als Bestätigung eines BGH-Urteils nun konstatiert. Danach werde als Mutter die Person eingetragen, die das Kind ausgetragen habe, als Vater werde registriert, wessen Sperma die Zeugung bedingte. Eine Geschlechtsumwandlung soll aber nach Rechtsprechung nicht dazu berechtigen, eine entsprechende Eintragung in der Geburtsurkunde des Kindes vorzunehmen. Darin liege, so der BGH (Bundesgerichtshof), keine Persönlichkeitsverletzung von trans* Personen, unabhängig davon, wann die Geschlechtsanpassung, also ob vor oder nach der Geburt des Kindes, erfolge. Vielmehr werde so einem Interessenausgleich genügt, der gleichermaßen allen Beteiligten gerecht würde. Das hiermit ebenfalls befasste BVerfG (Bundesverfassungsgericht) wies eine Verfassungsbeschwerde als unbegründet ab. Der EGMR verneinte einen Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gem. Art. 8 Abs. 1 EMRK und wies insbesondere darauf hin, dass dem nationalen Gesetzgeber für die Zuweisung der Elternschaft ein weiter Ermessensspielraum zustehe. Quellen und weitere Informationen: LTO, Zeit
Systemische Verschlechterungen
Florida senkt Schwelle für Todesurteile In Florida können künftig Todesurteile ohne einstimmige Empfehlung der zwölf Geschworenen verhängt werden. In Folge des durch den republikanischen Gouverneur Ron DeSantis initiierten und unterzeichneten Gesetzes genügen fortan bereits acht Stimmen. Somit hat Florida die niedrigste Schwelle für den Erlass von Todesurteilen in den USA. Die Todesstrafe wird aktuell in 27 der 50 US-Bundesstaaten bei besonders schweren Verbrechen in Erwägung gezogen. In fast allen dieser Staaten ist eine einstimmige Aussprache aller Geschworenen für ein Todesurteil notwendig. Florida plant noch weitere Gesetzesentwürfe im Rahmen der Todesstrafe. So soll etwa auch der sexuelle Missbrauch von Kindern künftig ein Todesurteil ermöglichen. Quellen und weitere Informationen: ABC, Spiegel, tagesschau
Menschenrechte mal anders In dieser Rubrik geben euch die Mitglieder des Vereins Empfehlungen zu Medien aller Art (Bücher, Filme, Serien, Podcasts...) mit Bezug zu menschenrechtlichen Thematiken.
Filmempfehlung: A Black Jesus Der Dokumentarfilm erzählt von Bewohner:innen eines Dorfes in Sizilien und Geflüchteten, die dort eine vorübergehende Bleibe gefunden haben. Während in diesem Dorf zwar seit Jahrhunderten eine schwarze Jesusfigur verehrt wird, begegnet man den Geflüchteten, wie dem 19-jährigen Ghanaer Edward, feindselig. Ein Jahr lang begleitete die Kamera dieses Dorf und seine Bewohner:innen und vermittelt einen Eindruck von der Überwindung latenter Fremdenfeindlichkeit durch gegenseitiges Engagement, aber auch von dem Stocken weiterer Annäherung bei Auflösung der Geflüchtetenunterkunft. Verfügbar zB auf Amazon Prime Video.
Podcastempfehlung: Völkerrechtspodcast Dieser Podcast stellt mit spannenden Gäst:innen anhand aktueller und weltpolitscher Fragen vor, was sie und ihr Feld gerade bewegt. Dazu werden völkerrechtliche Basics mit Hilfe wichtiger Urteile, Kontroversen und Prinzipien aufgearbeitet. Zuletzt vor allem spannend war Folge #20, die sich mit der Thematik "Wirtschaft und Menschenrechte" befasst: Was bedeutet z.B. die Macht großer multinationaler Unternehmen für die Geltung der universalen Menschenrechte? Wie lässt sich diese Macht rechtlich einhegen und ist die liberale Rechtsordnung dazu geeignet? Verfügbar zB auf Spotify und Apple Podcasts.
Buchempfehlung: the last white man von Mohsin Hamid In diesem Roman wachte der Amerikaner Anders eines Tages nicht mehr mit weißer, sondern tiefbrauner Hautfarbe auf. Und er ist damit nicht allein, nach und nach verwandeln sich auch die anderen weißen Menschen. Während Anders nun mit Hürden in Beziehungen und in Arbeitsleben zu kämpfen hat, kommt es auf den Straßen zu Revolten: Man protestiert dagegen, dass es nun “a different place, a different country, with all these dark people around, more dark people than white people” geworden sei. Für einen Roman, der die Systematiken und Vorurteile von Rassismus untersucht, ist the last white man eine überraschend hoffnungsvolle Geschichte. Die Idee, lediglich phantastische Spekulation, führt im Laufe des Romans unvermeidlich zu sozialer Aufklärung. Mohsin Hamid beschwört mit diesem Werk den freudigen Tag hervor, wenn wir endlich den Sarg über das ganze schreckliche Konstrukt des Rassismus schließen und uns gegenseitig als das sehen, was wir sind.
Neues vom Verein
Neuer Länderbericht online: Republik Botsuana Ein neuer Länderbericht ist auf unserer Website online! Jetzt könnt ihr das Wichtigste über die menschenrechtliche Lage in der Republik Botsuana erfahren.
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