Newsletter im Juli 2025
- lwob_lmu

- 15. Aug.
- 11 Min. Lesezeit
Unser monatlicher Rundumblick zum Thema Menschenrechte
Herzlich willkommen zu unserem Newsletter im Juli – wir freuen uns sehr, dass Du dabei bist!
Über uns: Als Student Division sind wir zwar unserer Mutterorganisation Lawyers Without Borders (LWOB) angehörig, agieren aber autonom und organisieren uns eigenständig. Wir arbeiten unserer Mutterorganisation zu und stehen in Zusammenarbeit mit deutschen und europäischen Organisationen. LWOB ist eine NGO mit Sitzen in Großbritannien, Kenia, Tansania und den USA. Ausschlaggebend für die Gründung war die Idee, Anwält:innen weltweit für Human Rights Work zu motivieren und ein globales pro bono-Netzwerk zu schaffen, das auf der ganzen Welt einen Zugang zu Recht garantiert. Mit unserem monatlich erscheinenden Newsletter möchten wir einen Einblick in unsere Tätigkeiten geben, laufende Projekte vorstellen und insbesondere Neuigkeiten zu Menschen- und Grundrechten auf der ganzen Welt teilen - besonders solche, die oftmals unbeachtet bleiben.
Disclaimer: Wir haben uns der Aufklärung im Bereich der Menschen- und Grundrechte verschrieben und sind weder politisch noch übernehmen wir Gewähr für Richtigkeit oder Vollständigkeit für die Rubrik „Neuigkeiten im Bereich Menschenrechte“. Die Inhalte der Beiträge wurden mit größter Sorgfalt erstellt. Quellen und Literatur wurden bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des jeweiligen Beitrags geprüft und berücksichtigt. Darüber hinaus distanzieren wir uns von jeglichen weiteren und zukünftigen Inhalten der angegebenen Websites und Institutionen. Aufgrund der höheren Lesbarkeit mit Rücksicht auf sehbehinderte Menschen haben wir uns für den Gender-Doppelpunkt entschieden. LWOB steht für alle Formen der geschlechtlichen Vielfalt ein. Für diesbezügliches Feedback könnt ihr euch gerne an die Ressortleiter:innen wenden.
Neuigkeiten im Bereich Menschenrechte
Neuigkeiten internationaler Spruchkörper und Organisationen
EGMR verurteilt Russland wegen zahlreichen Menschenrechtsverletzungen
Am 9. Juli verurteilte der EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) Russland wegen Menschenrechtsverletzungen im Ukraine-Krieg, sowie für den Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 im Juli 2014.
Das Gericht hatte über vier verbundene Staatenbeschwerden zu entscheiden: Drei von der Ukraine über die Geschehnisse in der Ostukraine seit dem Jahr 2014 und den russischen Angriffskrieg seit Februar 2022, sowie eine Beschwerde aus den Niederlanden zu dem Abschuss der MH17 im Juli 2014. Die klagenden Staaten machten Verletzungen der Rechte auf Leben, Freiheit und Sicherheit, Privat- und Familienleben, Meinungsfreiheit, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit, sowie das Verbot von Folter, Zwangsarbeit und Diskriminierung aus Art. 2, 5, 8 bis 11 und 14 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) geltend.
In Bezug auf die von der Ukraine geführten Verfahren stellte der EGMR ein systematisches Muster von Menschenrechtsverletzungen bereits vor Beginn des Ukraine-Kriegs fest (im Zeitraum vom 11. Mai 2014 bis 16. September 2022), worunter wahllose militärische Angriffe, Hinrichtungen von Zivilisten und ukrainischen Militärangehörigen, Folter und ungerechtfertigte Vertreibung, die Verschleppung ukrainischer Kinder aus der Ostukraine nach Russland, die “Unterdrückung der ukrainischen Sprache in den Schulen” und die “Indoktrination von Schulkindern”, sowie Zerstörungen, Plünderungen und Enteignungen fallen.
Auch für den Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 über der Ostukraine am 17. Juli 2014 stellte das Gerich mehrere Rechtsverletzungen fest. Gemäß dem Urteil des EGMR läge es wegen der Beweislage nahe, dass die Rakete absichtlich auf das Flugzeug abgefeuert wurde - in dem Irrglauben, es handele sich um ein Militärflugzeug. Zudem habe Russland sich geweigert, die Umstände des Abschusses zu untersuchen; auch die Bergung der Leichen wurde durch Behinderung der Absicherung der Absturzstelle für acht Monate verzögert. Das Land habe auch von vornherein versäumt, das Ziel der Rakete zu untersuchen und darin versagt, das Leben der Passagiere zu schützen.
Wenngleich Russland seit dem 16.09.2022 nicht mehr Mitglied im Europarat ist, kann der EGMR auch über Verletzungen der EMRK vonseiten Russlands entscheiden, die sich auf Ereignisse beziehen, die sich vor diesem Datum ereignet haben.
Da Russland die Entscheidung des EGMR für sich jedoch nicht als verbindlich erachtet - der russische Präsident Wladimir Putin diesbezüglich bereits ein entsprechendes Gesetz zur Nichteinhaltung von EGMR-Urteilen von Wladimir Putin unterschrieben - werden die Urteile in erster Linie symbolischen Charakter haben.
Quellen und weitere Informationen: Tagesschau, RSW Beck, LTO Quelle 1, LTO Quelle 2
Der IGH erkennt eine “nachhaltige Umwelt” als Menschenrecht an
Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat mit seinem Gutachten vom 23. Juli erstmals klargestellt, dass Klimaschutz eine völkerrechtlich verbindliche Pflicht aller Staaten ist – unabhängig davon, ob sie Klimaverträge ratifiziert haben.
Im Jahr 2023 beauftragte die UN-Vollversammlung den IGH einstimmig mit dem Gutachten, nachdem Aktivist:innen aus dem Pazifikstaat Vanuatu vor den IGH traten und klare rechtliche Pflichten für Staaten forderten.
Das Gutachten des IGH knüpft an die frühere Rechtsprechung regionaler Menschenrechtsgerichtshöfe, des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des EGMR: Für Staaten besteht die völkerrechtliche Verpflichtung, aktiv gegen den Klimawandel vorzugehen – nicht nur sie selbst müssen Maßnahmen ergreifen, sie müssen auch durch Regulierungen private Unternehmen zu klimaschonendem Verhalten verpflichten.
Es wird betont, dass der Schutz der Umwelt eine Voraussetzung für die Einhaltung von Menschenrechten sei und dass eine “saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt” demnach ein eigenständiges Menschenrecht darstellt. Gemäß dem IGH sind insbesondere Frauen, Kinder, indigene Menschen, Migrant:innen, Menschen mit Behinderungen und andere vulnerable Gruppen besonders gefährdet.
Ein Staat, der völkerrechtswidrig handelt und dadurch einem anderen Staat messbaren "Klimaschaden" zufügt, kann zu Wiedergutmachung verpflichtet werden. Wie und in welcher Höhe, wird im Einzelfall entschieden. Der IGH hat bei der Bestimmungen der Rechtsfolgen eines Verstoßes auf die völkergewohnheitsrechtlichen Formen der Wiedergutmachung aufmerksam gemacht, die sich aus dem Regime der Staatenverantwortlichkeit ergeben: Restitution (Wiederherstellung des früheren Zustands), Compensation (finanzielle Entschädigung) und Satisfaction (Genugtuung, z.B. in Form einer formellen Entschuldigung). Genaueres hierzu könnt ihr im unten verlinkten IGH-Urteil nachlesen.
Der IGH bekräftigt außerdem die rechtliche Verbindlichkeit des 1,5-Grad-Ziels. Es warnt auch, dass das Untätigbleiben von Staaten völkerrechtswidrig sein kann.
Auch wenn das Gutachten nicht rechtlich bindend ist, hat es dennoch starke Signalwirkung: Es ist wegweisend für künftige Debatten und liefert Staaten, Gerichten und uns Bürgern ein wichtiges Instrument, um Umweltschutz und Gerechtigkeit international besser durchzusetzen.
Trotz dieser Fortschritte reagierte die Staatengemeinschaft im Gegensatz zu Klimaaktivisten, Juristen und NGOs bislang eher zurückhaltend. Besonders kleine Inselstaaten haben das Urteil klar begrüßt, auch größere Emittenten wie Deutschland, China und die EU zeigen sich grundsätzlich positiv. Andere Länder wie Australien, Großbritannien und die USA halten sich hingegen zurück und wollen die Auswirkungen des Gutachtens erst intern genauer prüfen.
Quellen und weitere Informationen: Tagesschau: 23.07.2025, Deutsches Institut für Menschenrechte, LTO, IGH Urteil
Systemische Verschlechterungen
USA erneut auf International Human Rights Watchlist wegen zunehmender Angriffe auf bürgerliche Grundfreiheiten
Die internationale Zivilgesellschaftsallianz CIVICUS hat die USA im Juli 2025 erneut auf ihre Watchlist gesetzt. Grund dafür sind anhaltende und systematische Einschränkungen grundlegender Freiheitsrechte in den ersten sechs Monaten von Donald Trumps zweiter Amtszeit.
Seit Anfang Juni gibt es in zahlreichen US-Städten friedliche Massenproteste gegen die Razzien der US-amerikanischen Zoll- und Einwanderungsbehörde ICE.
Gegen die in Kalifornien eskalierenden Demonstrationen reagierte Trump mit dem Einsatz von 700 Marines und 2.000 Nationalgardisten; mindestens 350 Demonstrierende wurden festgenommen.
Auch Journalist:innen wurden bei ihrer Berichterstattung über Proteste angegriffen oder willkürlich festgenommen.
Am 18. Juli beschloss der Kongress zudem eine Kürzung von 1,1 Milliarden US-Dollar für öffentlich-rechtliche Medien, was einen ersten Eingriff dieser Art in die Pressefreiheit seit 30 Jahren darstellen könnte. Trump führt zudem gezielt Klagen gegen Medienhäuser wie ABC, CBS und Wall Street Journal, um kritische Berichterstattung zu unterdrücken.
Neue Gesetze in Bundesstaaten wie Arkansas, Nebraska und Florida wurden erlassen, durch welche die ausländische Finanzierung von NGOS unter Strafe gestellt und Spendenkampagnen massiv eingeschränkt wurden. Der am 4. Juli verabschiedete One Big Beautiful Bill Act kürzt Fördermittel für gemeinnützige Organisationen um geschätzte 81 Milliarden US-Dollar über 10 Jahre. Auch internationale Entwicklungshilfen wurden stark gekürzt.
Es werden auch zunehmend pro-palästinensische Stimmen kriminalisiert, vor allem bei ausländischen Studierenden: Aktivisten wie Mahmoud Khalil, Mohsen Mahdawi und Rumeysa Ozturk wurden festgenommen und abgeschoben. Die US-Regierung hat zudem die UN-Sonderberichterstatterin für die besetzen Gebiete Palästinas (Francesca Albanese) sanktioniert, die vor allem durch ihre Kritik, Israel begehe einen Völkermord in den besetzten Gebieten, in Erscheinung getreten war.
Die USA gilt laut CIVICUS inzwischen als “narrowed civic space” – ein Zustand, in dem Bürger:innen theoretisch ihre Rechte ausüben können, in der Praxis jedoch systematisch Verletzungen auftreten. Die jüngsten Entwicklungen lassen einen Rückfall in autoritäre Regierungspraktiken befürchten, vergleichbar mit repressiven Staaten wie El-Salvador oder der Türkei.
Hilfsorganisationen warnen vor Kürzungen bei Entwicklungshilfen
Die Bundesregierung plant mit dem Beschluss des Bundeshaushaltsentwurfs am 30. Juli, die Ausgaben für humanitäre Hilfen und Entwicklungshilfen im Ausland für das Jahr 2026 drastisch zu senken. Im Haushaltsentwurf 2026 sinkt der Etat für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) erstmals seit 2018 unter die Marke von 10 Milliarden Euro – ein Minus von 330 Millionen gegenüber 2024. Gleichzeitig halbieren sich die Mittel für humanitäre Nothilfe im Auswärtigen Amt. Hintergrund dafür ist die Absicht, zu sparen und den Fokus stärker auf eigene nationale Interessen zu legen.
Dadurch wird das international ausgegebene und angestrebte 0,7-Prozent-Ziel (ODA-Quote) als Anteil der öffentlichen Entwicklungsausgaben im Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen nicht mehr erreicht. Der Anteil lag 2024 schon bei lediglich 0,67 Prozent und für 2026 wurden von Finanzstaatssekretär Steffen Meyer 0,52 Prozent als Anteil genannt und für 2029 nur noch 0,43 Prozent.
Diese Kürzung trifft Hilfsorganisationen hart: Caritas international befürchtet, dass dringend benötigte Hilfsprojekte wie die Unterstützung von Binnenvertriebenen im Kongo ersatzlos wegfallen.
Weitere Organisationen wie die Welthungerhilfe, Brot für die Welt und Oxfam kritisierten die Bundesregierung, durch die Kürzungen “nicht nur lebensrettende Maßnahmen, sondern auch Deutschlands strategische Interessen und internationale Glaubwürdigkeit” zu gefährden.
Die WWF bezeichnet die Kürzungen als “fatalen Fehler”, da gerade “in Zeiten multipler Krisen” internationale Zusammenarbeit wichtiger denn je sei, auch insbesondere im Hinblick auf den Klimaschutz.
Die humanitäre Lage hat sich international drastisch verschlechtert, laut VENRO (Verband für Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe): im Jahr 2025 gäbe es ca. 300 Millionen Menschen, die auf humanitäre Unterstützung angewiesen sind. Dies stellt eine Verdoppelung seit dem Jahr 2019 dar.
Auch andere Länder wie die USA, Großbritannien, Belgien und weitere EU-Länder haben bei ihren Entwicklungshilfsausgaben drastisch gekürzt.
Quellen und weitere Informationen: Deutsche Welle, Mitteldeutscher Rundfunk, WWF
Neues Gesetz im Iran führt zu weiterer Internet-Einschränkung
Das iranische Parlament hat mit großer Mehrheit einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Verbreitung von Falschinformationen verabschiedet. Die Verbreitung falscher Informationen im Netz und den sozialen Medien wird unter Strafe gestellt. Diese gestaltet sich in Form von hohen Geldstrafen und Inhaftierungen und Arbeitsverboten für Journalisten aus.
Gerechtfertigt wird das Gesetz damit, dass die Sicherheitslücken im Krieg gegen Israel auf das Internet und insbesondere Anwendungen wie WhatsApp zurückzuführen sind. Nur der Zugang zu staatlich kontrollierten Webseiten soll weiterhin zugelassen werden.
Vor dem Internet wird vom schiitischen Klerus als allgemeine Gefahr für die im Iran herrschende Theokratie (religiös legitimierte Staatsgewalt) gewarnt, mit der Behauptung, dass viele Apps von Feinden des Irans im Auslands kontrolliert werden. Dennoch ist ein Großteil der politischen Führung im Iran selbst auf verbotenen Social Media Plattformen wie X und Instagram aktiv. Auch ein Großteil der Bevölkerung im Iran umgeht die Internetverbote dennoch mithilfe von VPNs (geschützte Netzwerkverbindungen).
Kritiker sind der Meinung, dass das Gesetz nur ein Vorwand für die weitere Zensur und die Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit im Iran sei. Viele Iranerinnen und Iraner befürchten auch, dass ihre Regierung dadurch das Monopol der Nachrichtensender wieder an sich ziehen wolle, um einseitig von Ereignissen zu berichten.
Quellen und weitere Informationen: RSW Beck, ZEIT, Deutschlandfunk
Kritik an menschenrechtsverletzender Pushback-Praxis, dauerhaften Grenzkontrollen und dem Migrationsgipfel "Summit on Migration” am 18. Juli 2025
Die internationale LIGA für Menschenrechte und kirchliche Verbände kritisieren die Anweisung des Bundesinnenministers Alexander Dobrindt, Schutzsuchende an der Grenze zurückzuweisen sowie die angekündigte Verschärfung der Migrationspolitik. Trotz dessen, dass der EGMR und das VG Berlin diese als Verstöße gegen nationales und EU-Recht eingestuft hatten, hielt die Bundesregierung bislang an dieser Pushback-Praxis fest.
Ursprünglich lediglich als Ausnahmeregelungen gedacht, entwickeln sich die Kontrollen der Binnengrenzen im Schengenraum infolge der Flüchtlingskrise immer mehr zu einer dauerhaften Praxis, inbesondere an der deutsch-österreichischen Grenze. Diese Kontrollen sind gemäß dem Schengener Grenzkodex jedoch nur als zeitlich begrenzte, begründete Maßnahmen erlaubt. Eine dauerhafte Praxis von Grenzkontrollen stellt einen Verstoß gegen das Schengener Abkommen dar, was deutsche Verwaltungsgerichte ebenfalls so entschieden hatten.
Gem. § 18 I AsylG darf niemand abgewiesen werden, der ein Asylgesuch äußert. Dennoch finden zurzeit Zurückweisungen oder sogar Abschiebungen statt, selbst bei klar geäußerten Gesuchen. Menschen werden zudem gezielt durch Einschüchterung, sprachliche Barrieren und fehlender Rechtsberatung an der Äußerung gehindert. Laut Statistiken des BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) ist die Zahl der Asylerstanträge drastisch zurückgegangen – zwischen Januar und April 2025 fast um die Hälfte im Vergleich zum Vorjahr. Der Rückgang ließe sich gemäß der LIGA dabei kaum auf Grenzkontrollen zurückführen, sondern vielmehr auf externe Faktoren wie Abschottung auf der Balkanroute oder gewaltsame Rückschiebungen in Drittstaaten. Dadurch fehle es auch an einer objektiven Bedrohungslage, die die Abschiebepraxis rechtfertigen würde. Die Grenzkontrollen dienen gemäß der LIGA somit zunehmend als Instrument politischer Symbolik, was zu einer Normalisierung von Rechtsbruch und der Aushöhlung der Menschenrechte führe.
Am 18. Juli 2025 fand ein informelles Treffen von sechs EU-Innenministern statt. Zu diesem “Zugspitz Summit on Migration” hatte Deutschlands Innenminister Alexander Dobrindt die Innenminister aus Tschechien, Polen, Dänemark, Österreich und Frankreich eingeladen. Bei der abschließenden Pressekonferenz erklärte Dobrindt, dass das Treffen ein “sichtbares Signal der Einigkeit und der Entschlossenheit” sei, da man sich geeinigt habe, “illegale Migration zu reduzieren”, denn es könne nicht an Schleuser und Schleppern liegen, wer in die EU kommen dürfe. Dieses gemeinsame Ziel soll durch einen härteren Kurs in der Migrations- und Asylpolitik erreicht werden, wobei neben dem besseren Schutz von EU-Außengrenzen auch konsequent nach Syrien und Afghanistan abgeschoben werden und mehr Nicht-EU-Staaten abgelehnte Asylbewerber aufnehmen sollen.
”Wirksame Rückführungen” müssten laut Dobrindt möglich sein, da sie “eine unerlässliche Voraussetzung für das Vertrauen in eine ausgewogene Migrationspolitik” darstellen. Auch müsse man eine Überforderung der Gesellschaft und eine damit einhergehende weitere Polarisierung verhindern, weshalb Asylverfahren in der EU beschleunigt und gegen illegale Einreisen härter vorgegangen werde solle.
Kirchliche Verbände zeigten sich vorab kritisch zu dieser angekündigten Verschärfung der Migrationspolitik: Der katholische Caritasverband warnt vor weiteren Abschottungen; und Oliver Müller - dessen Vorstand für Internationales, Migration und Katastrophenhilfe - erklärte, dass das Schaffen von Barrieren für die Migration vor allem skrupellose Schleuser stärke.
Das evangelische Hilfswerk Brot für die Welt kritisierte einen Mangel an “politischem Weitblick”.
Gemäß dem Migrationsreferenten des Hilfswerkes, Andreas Grünewalt, wollen sich die bei dem Ministertreffen anwesenden Staaten durch Pläne zur Auslagerung von Asylverfahren an Drittländer ihrer Verantwortung entziehen, anstatt das Asylsystem tatsächlich funktionaler zu machen.
Quellen und weitere Informationen: Internationale Liga für Menschenrechte, Tagesschau Quelle 1: 18.07.2025, 06:15 Uhr, Tagesschau Quelle 2: 18.07.2025, 17:06 Uhr, BAMF Statistik, Bundeszentrale für politische Bildung Statistik
Ausblick und Aktuelles
Die Humanitäre Lage im Gazastreifen und die öffentliche Debatte
Trotz internationaler Kritik und der dramatischen humanitären Lage im Gazastreifen hält die israelische Regierung weiterhin an ihrem harten Kurs fest. Seit Mai wurden bei Hilfseinsätzen mehr als 1.000 Menschen getötet, darunter viele, die versuchten, an Hilfsgüter zu gelangen. Gaza ist inzwischen ein weitgehend unbewohnbarer Trümmerhaufen, und zahlreiche Hilfsorganisationen berichten von massiven Versorgungsengpässen, die vor allem die Schwächsten – Frauen, Kinder und alte Menschen – besonders hart treffen.
Die Bundesregierung appelliert zwar an Israel und betont die Bedeutung humanitärer Grundsätze, doch Kritiker fordern konkrete Schritte. Dazu gehören unter anderem die Prüfung oder Aussetzung des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel sowie ein Stopp deutscher Waffenexporte in Anbetracht der militärischen Lage im Gazastreifen. Diese Maßnahmen könnten als Signal dienen, dass Deutschland als Unterstützer Israels trotzdem Kritik üben kann, wenn völkerrechtliche Grenzen überschritten werden.
Experten und Hilfsorganisationen kritisieren die bisher getroffenen Maßnahmen als lediglich symbolisch und unzureichend: Die Luftbrücke bringt kaum Hilfe. Viele Güter gehen verloren oder erreichen die Bedürftigen nicht. Ärzte ohne Grenzen betont, dass die Krise politisch bedingt ist: Ohne eine Öffnung der Grenzen und sichere Verteilung vor Ort droht sich die humanitäre Lage weiter zu verschärfen.
Amnesty International warnt vor der dramatischen humanitären Lage im Gazastreifen, die durch die israelische Blockade seit Oktober 2023 absichtlich herbeigeführt werde. Dies könne als Kriegsverbrechen oder Genozid bewertet werden. Die Generalsekretärin von Amnesty betont, dass Deutschland seine völkerrechtliche Pflicht erfüllen müsse: Waffenlieferungen an Israel zu stoppen, einen Waffenstillstand zu fordern und die Blockade zu beenden. Die angekündigte „Luftbrücke“ sei auch laut Amnesty nur Symbolpolitik und helfe kaum. Die NGO fordert eine klare Haltung der Bundesregierung zum Schutz der Menschenrechte und ein Ende der Besatzung.
Zudem haben auch bedeutende israelische Menschenrechtsorganisationen, B’Tselem und Physicians for Human Rights Israel, in aktuellen Berichten klar von einem Genozid im Gazastreifen gesprochen. Yuli Novak, Direktorin von B’Tselem, betont, dass es sich um koordinierte, systematische Angriffe mit dem Ziel handelt, eine ganze Gruppe zu vernichten – massenhaftes Töten und Aushungern seien kein Kollateralschaden, sondern Absicht.
Physicians for Human Rights dokumentieren die Zerstörung von 27 Krankenhäusern und den Tod von über 1.500 Ärzten. Der Zusammenbruch des Gesundheitssystems habe einen verheerenden Kaskadeneffekt, der die medizinische Versorgung von Millionen Menschen unmöglich mache. Trotz israelischer Behauptungen über Hamas-Kommandos in Kliniken gäbe es keine Beweise dafür. Der Völkerrechtler Kai Ambos sieht in den Berichten Hinweise auf Angriffe gegen das palästinensische Volk, betont aber, dass die Zerstörungsabsicht im Sinne der Genozidkonvention noch genau geprüft werden müsse. Novak hingegen fordert ein sofortiges Handeln und kritisiert die internationale Gemeinschaft, die durch Unterstützung Israels den Genozid ermögliche.
Quellen und weitere Informationen: Amnesty, Tagesschau, 28.07.25, Tagesschau 24.07.25
Hinweis: Die Pressemitteilung der Bundesregierung, dass die Bundesrepublik Deutschland die Waffenlieferungen an Isarel einstellen würde, erreichte uns erst nach dem Verfassen des Newsletters.
Gedanken zum Abschluss
Liebe Leserinnen und Leser,
gerade in der jetzigen Zeit, in der so viele Krisen unsere Welt plagen, ist es besonders wichtig, informiert zu bleiben und miteinander ins Gespräch zu kommen. Mit unserem Newsletter möchten wir euch genau dabei begleiten, damit wir gemeinsam ein bisschen mehr Verständnis und Hoffnung schaffen können.
Wir freuen uns, dass ihr dabei seid und wünschen euch viel Spaß beim Lesen!
Euer Newsletter-Team (Anna & Masa)






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